Apache 207 triumphiert beim Auftritt in der SAP-Arena
Der singende Rapper und seine Fans hatten die beiden Auftritte zum Tourstart in Mannheim lange herbeigesehnt. Am Ende sangen sogar die Sanitäter begeistert mit.

Von Daniel Schottmüller
Mannheim. Tausende haben seinen Namen skandiert. Sie haben sich von der Bühnen-Pyro die Stirn anbrutzeln lassen, begierig gejohlt, als er sein Oberteil ausgezogen hat, und jede Zeile so textsicher mitgesungen, als wären sie beim Schreiben der Songs dabei gewesen. Was macht man in so einem Moment des Triumphs, nachdem man sich bedankt und verbeugt hat?
Apache 207, der mit bürgerlichem Namen Volkan Yaman heißt, dreht sich um: hin zur Klinkerfassade, die in den vergangenen zwei Stunden als Hintergrundkulisse gedient hat. Dann betätigt er eine am Eingang angebrachte Klingel und sagt in türkischer Sprache: "Anne, kapıyı açarmısın” – "Mama, kannst du mal aufmachen?" Das warme Surren der sich öffnenden Tür ist die Antwort. Apache verschwindet mit einem Lächeln dahinter. Es ist der passende Abschluss eines Abends, der sich wie ein von Beats begleitetes Nachhausekommen angefühlt hat.
Zwei lange Jahre hatten die Fans in der Heimat – "ich bin in Mannheim geboren und in Ludwigshafen aufgewachsen", wird Apache während des Konzerts am Freitag verraten – dem mehrfach verschobenen Tourstart entgegengefiebert. Zwei Jahre, in denen sich eine Erwartungshaltung aufgetürmt hat, die selbst einen Hünen wie ihn überwältigen könnte.
Denn klar, auf der einen Seite spielt "Deutschraps Miroslav Klose" mit den ganz Großen mit: Zehn seiner Hits landeten bereits auf Platz eins der Charts. Über 317 Millionen Mal wurde alleine sein "Roller" auf Spotify gestreamt – eine Rekordzahl, die in Deutschland nicht einmal Superstars wie Ed Sheeran erreichen.
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Auf der anderen Seite hat der 24-Jährige aber noch nie alleine auf einer großen Bühne gestanden. Tritt man da auf wie jemand, der die Musikwelt bereits erobert hat? Oder schleicht sich der sonnenbebrillte Krieger dann doch eher verschüchtert auf die Bühne?
Apache macht irgendwie beides. Zunächst taucht er nur auf der Videoleinwand auf. In jenem heruntergerockten Mietshaus in Ludwigshafen-Gartenstadt, das er mit seiner Mama bewohnt hat – Fans kennen es spätestens seit dem "Famous"-Video – schneidet er seinem "Brudi" die Haare und träumt von einer großen Musikerkarriere.
Als er gerade eine Kostprobe seines Könnens geben will, wird er von einem wütenden Mann unterbrochen: "Niemand will dich hören!" Der fiktive Konflikt auf der Leinwand endet im Gerangel und der echte Apache wird aus der Klinkerbaukulisse hinaus auf die Bühne geschubst. Die Arena rastet aus!
Auch der leidenschaftliche Kicker braucht keine Zeit zum Aufwärmen. Los geht’s mit "Brot nach Hause", dann beschleunigt Apache direkt auf "200 km/h". Selbst das unvermeidliche "Roller" wird erstaunlich früh rausgeblasen. Zu diesem Zeitpunkt sitzt niemand mehr, sogar die Sanitäter filmen, singen und tanzen euphorisiert mit.
Die meisten beim ersten von zwei Apache-Auftritten an diesem Wochenende sind zwischen 16 und 30 Jahre jung – Frauen und Männer halten sich die Waage. Einige präsentieren sich dezent aufgebrezelt und von Parfümwolken umwabert, die Mehrheit ist legerer unterwegs. Schlabber-Baggys, Käppis und Basketballshirts sieht man dennoch kaum – dafür ist Apache wohl nicht old school genug.
Sein Sound mag vom Pop der frühen Neunziger inspiriert sein, aber der "Gangster, der ab und an sein Tanzbein schwingt", kreiert etwas Neues, Zeitgemäßes. Ein bisschen Bausa meint man rauszuhören. Ein bisschen Falco. Vielleicht sogar ein bisschen Schlager? Ein klassischer Straßenrapper wie früher Kool Savas ist der Ludwigshafener jedenfalls nicht. Muss er auch nicht sein. Denn gerade Savas schätzt Apache für sein Melodiegespür und seine stimmlichen Fähigkeiten.
Auch in der SAP-Arena verzichtet der Mann im Unterhemd auf Autotune und eingespielte Refrains. Selbstbewusst lässt sich Apache zu "Boot" auf einem Holzkahn durch die wogende Menge tragen. Im hinteren Hallenteil gibt er dann, ausnahmsweise nicht vom DJ, sondern von Schlagzeug und Gitarre begleitet, ein Akustikset zum Besten. Diese R&B-Songs klingen melancholisch. Aber Apache ist kein Trauerkloß: Als er zurück zur Bühne schippert, wird der Kracher aus dem "Titanic"-Soundtrack "My Heart will go on" geschmettert.
Auch wenn das wie so vieles bei ihm humorvoll gemeint ist, kann der Zwei-Meter-Koloss seine Rührung anschließend kaum verbergen: "Ich habe diesen Moment herbeigesehnt", erzählt er. Man spürt: Für einen wie ihn, der privat das Rampenlicht scheut, fühlt sich der emotionale Empfang vor heimischer Kulisse ziemlich überwältigend an.
Eigentlich habe er noch nie wirklich in der Öffentlichkeit geredet, gibt Apache dann auch zu. Vielleicht aus dem Gefühl heraus, etwas zurückgeben zu wollen, verkündet der Ludwigshafener, dass bald eine Amazon-Doku über ihn erscheinen wird. Zum Konzertende wird dann noch ein von Samsung gesponserter Applausometer eingeblendet. Der nette Rapper von nebenan ist halt auch ein Marketingtalent.
Ja, dass Apaches Klang und Aussehen so unverwechselbar sind, ist sicher kein Zufall. Und wie gut er mit seinem Mix aus Bescheidenheit und augenzwinkernder Arroganz unterhalten kann, deutet er im Netz bereits seit Jahren an. Mit seinem historischen Tourauftakt hat der singende Rapper jetzt aber bewiesen, dass er auch live genau weiß, wann es Zeit für eine Powerpose ist, wann die Indianermähne über die Schultern wallen sollte und wann einfach mal gegen einen gigantischen Ball getreten werden muss. Gut so. Die ekstatischen Reaktionen zeigen: Er gehört genau hier hin, auf die ganz große Bühne.











