Tanzbiennale Heidelberg

So unterschiedlich sind "Norma" und "UnderDogs"

Beherzt machen sie ihr eigenes Ding: Antonio Ruz und Anne Nguyen steuerten Beiträge bei.

08.02.2025 UPDATE: 08.02.2025 04:00 Uhr 1 Minute, 29 Sekunden
Tournee-Auftakt bei der Heidelberger Tanzbiennale: „Norma“ stand im Alten Saal auf dem Programm. Foto: J. C. Toledo

Von Isabelle von Neumann-Cosel

Heidelberg. Mit dem Bühnenstück "Sechs Personen suchen einen Autor" stellte Nobelpreisträger Luigi Pirandello das Illusionstheater infrage. Vergleichbares schwebte dem spanischen Choreografen Antonio Ruz in seinem brandneuen Stück "Norma" vor (Europatournee-Premiere auf der Tanzbiennale): Seine fünf Darsteller unterlaufen im Alten Saal des Heidelberger Theaters die übliche Erwartung an den Bühnentanz auf individuell ganz unterschiedliche Weise. Geraffte, schwülstig rote Vorhänge als Bühnenbild und Musikzitate aus dem Opernrepertoire suggerieren eine Tradition, von der es sich abzuheben gilt.

Die Tänzerinnen und Tänzer fallen allesamt durch Abweichungen von gängigen ästhetischen Idealen auf. Beherzt und beständig machen sie ihr eigenes Ding – ob selbstironische Lachnummer oder sexy Solo, ob maskuline klassische Posen und große Sprünge in femininem Outfit oder Sinnsprüche zur Selbstakzeptanz, ob Nacktheit oder Gruppenspaß – der Choreograf spielt mit den Seherwartungen des Publikums. Es soll, so sein Anspruch, mit den Darstellern gelacht werden statt über sie – ein schmaler, gelegentlich absturzgefährdeter Grat.

Anne Nguyen (Frankreich) hat dagegen sehr genaue Vorstellungen davon, was die drei Protagonisten ihrer Choreografie "UnderDogs" mit ihren Körpern ausdrücken. Urban Dance ist für sie Kompetenzfeld und Herzensangelegenheit – so wichtig, dass sie ihre drei Protagonisten nach Heidelberg persönlich begleitete.

Ihr selbst eilt ein beachtlicher Ruf voraus: Weltmeisterin im Break Dance, vertraut mit Martial Arts und den unterschiedlichsten Tanzstilen, studierte Physikerin und erfolgreiche Autorin. Die persönliche Begegnung lässt erahnen, welche unerhörte Energie die Erfolgschoreografin entfalten kann, die schon vielfach urbanen Tanz auf der Theaterbühne salonfähig gemacht hat.

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"UnderDogs" entstand in der "Corona"-Zeit mit nur drei Protagonisten, allesamt aber Schwergewichte in ihren speziellen Disziplinen (Popping, Waacking, Locking). Die Kernszene des Stücks, eine Zeitlupen-Kampfszene mit unerwartetem Ausgang, planten die Tänzer spielerisch selbst.

Um dieses Zentrum entwickelte sich das Stück beinahe organisch entlang der Frage, wie Gewalt auf der Straße entsteht. Dabei gelingen Anne Nguyen starke Bilder abseits von simplen Antworten. Armut lässt sich leicht als eine der Ursachen ausmachen, aber Geld im Überfluss führt zu Verteilungskämpfen, Neid und Betrug. Am Ende werfen die Darsteller ihre virtuellen Münzen wieder weg.

Mit feinem Gespür für die individuelle tänzerische Ausstrahlung zeigt die Choreografin, warum für eine Tänzerin, die sich in der männerdominierten HipHop-Welt durchsetzen muss, traditioneller Paartanz keine Option ist. Für das Miteinander im Urban Dance musste neues gestisches Vokabular her – in der Hebelhalle gebührend gefeiert.

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