Sound der Woche

Suzanne Vega macht Rock gegen Ratten

Wer an Suzanne Vega das Zarte schätzt, wird ganz schön staunen. Außerdem reingehört haben wir auch bei Gigi Perez, Sally Potter, Stereophonics und DJ Koze.

29.04.2025 UPDATE: 04.05.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 3 Sekunden

Von Steffen Rüth

Alle Achtung! Die neuen Songs auf "Flying With Angels" haben richtig Pfeffer. Seit elf Jahren hat Suzanne Vega, Jahrgang 1959, kein Album mehr mit selbstgeschriebenen Liedern veröffentlicht. Da hat sich einiges angestaut – zum Beispiel gleich zwei Trump-Regentschaften. Und wer sich jetzt das knackig gesungene "Rats" zu Gemüte führt, diese bissige Parabel auf Korruption und Machtmissbrauch, der denkt unweigerlich an den Wiederbewohner des Weißen Hauses. "Ratten auf dem Kriegspfad, Ratten bei der Parade, kommt und seht euch an, wie sie durch die menschengemachte Apokalypse laufen", singt die New Yorkerin in dem Song, der an Iggy Pop oder die wüsteren Sachen ihres Idols Lou Reed erinnert. "An und für sich handelt ,Rats‘ tatsächlich von der üblen Nagerplage, unter der New York, insbesondere seit der Pandemie leidet", so Suzanne Vega. "Aber wer politische Bezüge herauslesen will, ist herzlich willkommen ..."

Vega, die einst am renommierten Barnard College Literatur studierte, denkt nicht daran, ihre liberal-linke Haltung zu verbergen. Sie bewundert Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders für ihren Einsatz beim Auf-die-Beine-Stellen von Protestmärschen. Und in "Speakers‘ Corner", noch so einer fast wüsten Rocknummer, appelliert sie Zuhörende, vom Recht auf Meinungsfreiheit auch bitteschön Gebrauch zu machen. "Speaker’s Corner, use it now, before we find it gone", singt Suzanne und kritisiert die Zahnlosigkeit ihrer Heimatzeitung, der "New York Times". Neutralität um jeden Preis sei gerade fehl am Platz.

Überhaupt hat die Songpoetin ihre Kunst immer genutzt, um aufzurütteln – wenn auch meist mit leiseren Tönen. "Luka" (1987), ihr berühmtestes Lied, behandelt das Thema Kindesmisshandlung. Erst später sprach Suzanne Vega darüber, dass der Text auf Erfahrungen mit ihrem eigenen Stiefvater beruht. Ihre Tochter, die 30-jährige Ruby Froom, singt nun beim Song "Alley" mit. Ihrem Ehemann, Anwalt und Dichter Paul Mills, widmet Vega das rockig-zupackende "Witch". Die Hexe – eine Personifizierung der Schlaganfälle, die Mills im Jahr 2022 trafen – habe sich ihren Gatten geschnappt und zu Boden gerissen, singt Suzanne.

Wer diese Songwriterin eher für ihre ruhigen Akustiklieder schätzt, der sei an das Country-folkige "Chambermaid", das tief verzweifelt klingende "Last Train From Mariupol" oder das hinreißend erotische "Love Thief" verwiesen.


Info: "Flying With Angels" erscheint am Freitag. Am 15. Oktober spielt Suzanne Vega ein Konzert in Offenbach.








James Arthur und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.


Sound der Woche

Gigi Perez

At The Beach, In Every Life

lndiepop Gigi Perez – diesen Namen sollte man sich merken. Ist auch gar nicht so schwer. Denn wer die raue Altstimme der 25-jährigen Amerikanerin einmal gehört hat, vergisst sie nicht so schnell. Mit dem "Sailor Song" hat Gigi einen Hit gelandet, der ihre Fans bei Konzerten regelmäßig zu Tränen rührt. Überschäumende Leidenschaft, Schrammelgitarren und stimmungsvoll gesetzte Streicher- und Elektroeffekte geben auch auf ihrem Debütalbum die Richtung vor. "At The Beach, In Every Life" verarbeitet dabei nicht nur Herzschmerz, sondern einen tieferen Verlust: 2020 starb Gigis Schwester Celene. Ihre Sprachnachrichten tauchen nun in einigen Songs auf. Auch das lässt einen nicht so schnell wieder los ... (dasch) ●●

Für Fans von: Lucy Dacus, Noah Kahan

Bester Song: Sailor Song


Sally Potter

Anatomy

Songwriter Sally Potter selbst sagt, sie habe hier zwölf "Liebeslieder an die Erde" geschrieben – und denen lauscht man gern. Die heute 75-jährige britische Regisseurin ("Wege des Lebens") hatte erst 2023 ihr erstes Studioalbum veröffentlicht – und offensichtlich Gefallen daran gefunden. Auf "Anatomy" erzählt sie nun mit tiefer Stimme kleine Geschichten, mal bluesig, mal folkig. Ein wenig erinnert das tatsächlich an Nick Cave – wahrlich keine schlechte Assoziation. (sös) 

Für Fans von: Nick Cave

Bester Song: My Earth


Stereophonics

Make ’Em Laugh ...

Alternative Acht Songs, 30 Minuten Musik – etwas mager, könnte man meinen. Doch die Stereophonics hauen auf "Make ’Em Laugh, Make ’Em Cry, Make ’Em Wait" alles raus, was sie können. Streicher-Pop zum Weinen ("Make It On Your Own"), von den 70ern inspirierter Rock ("There’s Always Gonna Be Something") oder Sixties-Folk ("Seems Like You Don’t Know Me"). Wer Abwechslung sucht, ist bei den vier Walisern also gut aufgehoben. Acht Songs, acht Treffer! (lex) 

Für Fans von: Bob Dylan

Bester Song: Seems Like You Don’t Know Me


DJ Koze

Music Can Hear Us

Minimal Music Man kann, muss aber nicht breit sein, um sich mit Stefan Kozalla aka DJ Koze auf diese Reise zu begeben. Man sollte sich nur darauf einlassen. Auch mit der neuen Platte zeigt er, was er in Jahrzehnten an Sounds verarbeitet hat. Das macht "Music Can Hear Us" zum Hörspiel der besonderen Art. Herausragend ist wieder die Zusammenarbeit mit Sophia Kennedy ("Der Fall" und "Die Gondel"). So puristisch diese Songs sind, so überbordend ist da etwa "Brushcutter". Schräg (und am Ende beinahe an der Peinlichkeitsgrenze) tönt "Buschtaxi". Ja, der Maifeld-Derby-Mit-Headliner spielt mit Sounds und Musik, das zeigen Tracks wie "Aruna" und der Opener "Universe In A Nutshell" – die Einladung zu dieser Reise. (mün) ●●

Für Fans von: Caribou

Bester Song: Brushcutter