Sound der Woche

Nostalgische Zeitreise mit The Swell Season

Markéta Irglová und Glen Hansard sind zurück als The Swell Season. Außerdem reingehört haben wir auch bei Souly, Big Special, Heaven Shall burn und Karol G.

09.07.2025 UPDATE: 13.07.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 17 Sekunden
Foto: Turecky​

 Von Steffen Rüth

Ja, wo stehen sie denn, die Oscars der beiden? "Meiner in unserem Studio in Island", erzählt Markéta Irglová beim Interview in Berlin. "Früher stand er bei meinen Eltern, aber sie waren zutiefst paranoid, dass jemand einbrechen und ihn stehlen könnte. Jetzt sind sie heilfroh, dass ich ihn zu mir genommen habe." Auch Glen Hansard parkte seine Trophäe vorübergehend elterlich. "Meine Mutter hatte ihn lange auf dem Kaminsims. Sie war so stolz, dass sie ihn immer in einer Tüte von Tesco durch die Gegend schleppte und ihren Freundinnen beim Bingo zeigte. Dann hat tatsächlich jemand bei ihr eingebrochen. Alles wurde geklaut: der Fernseher, die DVD-Sammlung, sogar der Toaster. Nur den Oscar, den haben die Diebe stehenlassen." Mittlerweile habe auch er die Auszeichnung bei sich daheim.

Die Tschechin Markéta Irglová (37) und der Ire Glen Hansard (55) gewannen ihre Goldjungen 2008 in der Kategorie "Best Original Song" für ihr Liebesduett "Falling Slowly" aus dem bis heute zauberhaft anzuschauenden Musik-Liebesfilm "Once". Damals waren die beiden, die beim Singen so wunderbar harmonieren, auch privat ein Paar. Die Beziehung hielt nicht, und auch beruflich gingen The Swell Season ab 2010 getrennte Wege. Aber so ganz ließ man nie voneinander. Irglová sang gelegentlich auf Hansards Soloalben, man ging auch manches Mal zusammen auf Tournee – "und befreundet sind wir heute viel besser, als wir es damals waren", meint Markéta. So war es nicht allzu abwegig, dass The Swell Season nach 16 Jahren wieder eine Platte machen würden. Was geschehen ist? "Ein kleines Wunder", sagt Glen Hansard, der mit seiner finnischen Frau und dem dreijährigen Sohn in Helsinki lebt, während Irglová in Reykjavik sesshaft wurde und mit ihrem isländischen Gatten drei Kinder großzieht – beide haben übrigens nie aufgehört, Soloalben zu veröffentlichen. "Wir wollten ursprünglich nur ein paar Songs aufnehmen, aber Markétas Studio in Island steckt so voller kreativer Magie, dass wir auf einmal ein ganzes Album beisammenhatten."

"Forward" heißt es, und gleich in den ersten Sekunden von "Factory Street Bells" ist die alte Magie wieder da. Piano, Gitarre, Stimmen, dazu viel Melancholie und Sehnsucht: Mehr brauchen die zwei nicht, um mit ihrem zarten Folkpop zehn Songs lang Schönheit und Wohlklang zu verbreiten. Viele der Lieder, etwa das hinreißende "People We Used To Be", handeln vom Zurückschauen, aber nie im Zorn, sondern immer voller Wärme. Andere haben Aufbruch ("Forward", "Great Weight") oder die Dankbarkeit, einander zu kennen ("I Leave Everything To You") zum Thema. "Schon verrückt, wie sich unsere beiden Leben entwickelt haben", sinniert Hansard. "Und doch finden wir musikalisch immer wieder zusammen." Und Markéta Irglová sagt: "Wenn wir zwei zusammen auf der Bühne stehen, fühlt es sich für mich wie eine nostalgische Zeitreise an. Aber wie eine wunderschöne."


Info: "Forward" erscheint am Freitag. The Swell Season touren mit dem Album zunächst durch Nordamerika.








Haim und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.


Sound der Woche

Souly

Traence

Rap Den Release seines Nummer-eins-Albums "Traence" zelebriert Souly in Mannheim: Als Überraschungsgast steht er vor wenigen Tagen beim Heimspiel von Rap-Homie OG Keemo auf der Bühne. Optisch ist Luca Carlo Politanos Hang zur Extravaganz unübersehbar. Sein Sound ist dagegen geprägt von dichten Beats, die einen tatsächlich in Trance versetzen. Darauf legt sich die von Hall und Auto-Tune getragene Souly-Stimme, mit der er rappt, singt, haucht. Den Vers-Enden verleiht der 28-Jährige Gewicht, indem er die Reimketten regelmäßig bricht. In "m.p.x" rappt er sogar über einen Warteschleifen-Sound. Soulys Timing wirkt unvorhersehbar – vielleicht trifft er gerade deshalb den Zeitgeist. (make) ●●

Für Fans von: Ufo 361

Bester Song: Du


Big Special

National Average

Indie/Punk "Schockverliebt" hatten wir uns 2024 in das Debüt – folgt jetzt die enttäuschte Liebe? Nix da. Sänger Joe Hicklin und Drummer Callum Moloney legen mit National Average die nächste Hammer-Platte auf. Sprechgesang in Birminghams Malocher-Sound, mal wütend, mal kalt-analytisch, meist augenzwinkernd. Musikalisch prägen harte Drums, verzerrte Gitarren, eher industrielle Klänge die 13 Songs. Richtig stark – übrigens auch live, wie zuletzt beim Maifeld Derby zu erleben war. (sös) ●●●

Für Fans von: Sleaford Mods

Bester Song: God Save The Pony


Heaven Shall Burn

Heimat

Metalcore Zornig, kraftvoll und politisch aufgeladen: Was Heaven Shall Burn fünf Jahre nach ihrem letzten Album abliefern, hat eine enorme Wucht, die einen schlicht mitreißt. Mit trotzigem Grimm stemmen sich die Thüringer dem aktuellen Werteverfall entgegen, dessen Spannungsfeld sich in dem ambivalenten und namensgebenden Begriff "Heimat" widerspiegelt. In der Deluxe-Edition enthält das Album unter anderem das hörenswerte Slime-Cover "Schweineherbst". (csw) ●●

Für Fans von: Born From Pain

Bester Song: My Revocation Of Compliance


Karol G

Tropicoqueta

Latin Donald Trump und seine Schergen tun alles, damit sich Latinos möglichst machtlos und unerwünscht fühlen. Karol G stellt sich dem entgegen – so entschieden wie elegant. Mit ihrem neuen Album verbeugt sie sich vor der Kultur Lateinamerikas. Allein im Titeltrack "Tropicoqueta" tänzelt die Kolumbianerin bereits gekonnt zwischen kubanischem Mambo, jamaikanischem Dembow und dominikanischem Merengue. Es folgen 19 Nummern, die weitere Musiktraditionen revitalisieren. Sollten Sie Bad Bunny cool, aber auf Dauer eintönig finden, sind Sie hier genau richtig. Auch weil Gaststars wie Mariah Angeliq oder Manu Chao Karols ohnehin schon spritzigen Poprap-Songs zusätzlich Farbe schenken. (dasch) ●●

Für Fans von: Shakira

Bester Song:
 Si Antes Te Hubiera Conocidot