Rastloses Herz und raue Kehle
Rod Stewart macht auf seiner Welttournee "One More Time" Station in Mannheim - mit schillernder Garderobe und zeitlosen Klassikern

Foto: AFP
Von Wolf H. Goldschmitt
Er war erst Bluessänger, dann Glamrockgott. Mit der Band The Faces glückten ihm die eingängigen Melodien "Stay With Me" und "Oh la la". Und als Solist hat Rod Stewart die grandiosen Songs "Maggie May", "Sailing", "Young Turks" und "Tonight I´m Yours" aufgenommen. Trotz seiner inzwischen 80 Jahre zeigt der Brite noch längst keine Anzeichen von Altersmüdigkeit.
Das Cover des Albums "Atlantic Crossing", das sein internationaler Durchbruch wird, zeigt Rod Stewart in New York als glitzernden Superstar, der alle Hochhäuser überragt. Unter einer Hand klemmt ein Fußball, mit der anderen schüttet er ein britisches Bier ins Meer. Das Album markierte vor nun schon 50 Jahren einen Neustart. Der Ortswechsel war letztlich auch eine Steuerflucht. Damals belegt die britische Regierung Spitzenverdiener mit einem Steuersatz von 83 Prozent.
Eine kleine Zeitreise: Am 10. Januar 1945, in den letzten Tagen des II. Weltkriegs, kommt der kleine Roderick David Stewart im Londoner Arbeiterviertel Highgate als Kind schottischer Einwanderer zur Welt. Mit 16 will der Halbwüchsige Profifußballer werden und unterschreibt einen Vorvertrag beim FC Brentford. Doch alles wird ganz anders. Es zieht ihn zu einer Kunstakademie in London und er bedruckt eine Zeit lang Seidentücher. Um Geld zu verdienen, arbeitet der damals bettelarme Musikus sogar als Totengräber. Heute feuert der agile Senior immer noch gerne mit Vollspann Fußbälle ins Publikum.
Mit mit 250 Millionen verkauften Tonträgern zählt das Vereinsmitglied von Celtic Glasgow er zu den erfolgreichsten britischen Rocksängern. Das Magazin "Rolling Stone" führt ihn unter den 100 besten Sängern aller Zeiten auf Platz 59. Seit zwei Jahrzehnten prangt Rod Stewarts Stern auf dem weltberühmten Hollywood Walk of Fame und seit 1994 gehört der Künstler dem elitären Zirkel der Rock and Roll Hall of Fame an. Aber dabei bleibt es nicht, 2012 hält er als Mitglied der Band The Faces dort ein zweites Mal Einzug.
Jene Faces galten als Gruppe, der es wichtiger war, einen Studiotag im Pub ausklingen zu lassen als ein paar Aufnahmen noch mal zu proben. Ihre Best-of-Platte heißt "Five Guys Walk Into A Bar". Und für Stewart hatten damals Frauen, Sport und seine Haare eine höhere Priorität als die Musik. Seine Haarpracht hat er in frühen Jahren übrigens mit einem Bügeleisen getrocknet, da er sich keinen Föhn leisten konnte: Matte auf den Tisch – Handtuch drüber – Bügeleisen drauf! Zu seinem Ananasschnitt sagt er: "Ich bin der einzige Sänger, den man auch von hinten sofort erkennt - dank der Frisur."
Der Mann, der den Kehlkopfkrebs besiegte, besitzt auch eine ausgeprägte soziale Ader. Als 2010 ein fatales Erdbeben 200.000 Haitianer tötete, noch mehr verletzte und Millionen Inselbewohner obdachlos machte, engagierte sich der Kult-Sänger für das Benefizprojekt Helping Haiti. Gemeinsam mit anderen Musikern produzierte er eine Benefizsingle: das REM-Cover "Everybody Hurts". Und Stewart nahm das Lied "Oh La La" auf seinem Album " When We Were The New Boys" als Hommage an Ronnie Lane, den Co-Autor des Liedes, noch einmal auf. Der Faces-Bassist war ein Jahr vor der Veröffentlichung nach langer Krankheit verstorben. Die Einnahmen des Titels sollten Lanes Familie zugutekommen.
Begonnen hatte der Schotte seine Karriere als Rod the Mod, ein Spitzname, weil er diese britische Jugendsubkultur liebte, und sich modisch kleidete. Die erste Single "Good Morning Little Schoolgirl" erschien 1964. Stewart besaß eine markante Bluesstimme. Bald sang er in der Band von Brian Auger und Julie Driscoll und bei der legendären Jeff Beck Group. 1969 kam sein erstes Soloalbum "An Old Raincoat Won’t Ever Let You Down" heraus, eine exquisite Sammlung von Folkbluessongs und Coverstücken wie "Street Fighting Man" von den Rolling Stones.
Kurz danach verließ Steve Marriott die Small Faces und Stewart stieß zur Nachfolgeband Faces. Die waren begnadete Rumpelrocker, Irritationen gehörten zum Programm. "Man wusste nie, was auf der Bühne passieren würde", sagte Stewart in einem Interview. Es war eine wilde Zeit, wie Stewart sich erinnert: "Wir haben uns damals um keine Konventionen geschert. Es ging um Sex und Saufen, mehr nicht". Auf US-Tourneen buchte der Manager in jeder Stadt die Übernachtung im Holiday Inn. Überall war die Einrichtung absolut identisch. Da haben die Musiker irgendwann einen Lagerkoller gekriegt und angefangen, die Zimmer zu zerlegen. Nach dem Hausverbot haben The Faces dennoch wieder dort eingecheckt – unter dem Namen Fleetwood Mac.
Nach musikalischen Quantensprung über den großen Teich klingen die Lieder weniger rotzig. Auf das soulige Album "A Night On The Town" folgen durchwachsene Platten. Mit "Hot Legs", "Da Ya Think I’m Sexy?" und "Baby Jane" gelangen Discohits. Ab Ende der Achtziger Jahre wurden die Veröffentlichungen irrelevant. Er kümmerte sich lieber um die große Familie. Der Künstler, der von der Queen zum Ritter geschlagen wurde, war im Privatleben nämlich deutlich fleißiger als treu. Fünf Frauen bescherten ihm offiziell acht Kinder. Ob es im Geheimen womöglich noch mehr gibt, ist bis dato unbekannt. Und er pflegt sein Hobby: die Modelleisenbahn. An seiner Anlage bastelt er mit Leidenschaft eigenhändig. Nachempfunden ist die Miniaturwelt der US-Metropole Philadelphia in den 1940er Jahren. Schon als Kind träumte Rod von einer eigenen Modellbahn – stattdessen schenkte ihm sein Vater eine Gitarre. Ein Weihnachtspräsent, das sich zweifelsfrei gelohnt hat.
Info: Rod Stewart tritt am Samstag, 29. November, um 20 Uhr in der Mannheimer SAP-Arena, An der Arena 1, mit seiner Show "One More Time". Karten sind an den bekannten Vorverkaufsstellen verfügbar sowie online ab 103,25 Euro unter www.eventim.de



