Rise Against wollen den Moment einfangen
Für Joe Principe ist ein Album wie ein Stempel in der Zeit.

Von Olaf Neumann
Mit dem neuen Album "Ricochet" halten Rise Against fest, wofür sie seit über 20 Jahren stehen: gegen Faschismus, Krieg und Donald Trump, für Tierrechte und Meeresschutz. Bassist und Co-Bandgründer Joe Principe spricht über politische Haltung, ungewöhnliche Studioarbeit und warum er seine Kinder früh gegen rechte Parolen wappnet. Olaf Neuman sprach in Hannover mit Joe Principe, Co-Bandgründer und Bassist.
Ein Album ist immer ein Zeitdokument. Was spiegelt Ihr neues Werk "Ricochet" wider?
Es ist eine seltsame Zeit mit unserer derzeitigen Regierung, auch, was die Kunst angeht. Unser Präsident sieht sie nicht als wichtig für die Gesellschaft an. Also versucht er, sie irgendwie verschwinden zu lassen. Er will kein Geld für Programme für die Kunst ausgeben, er versucht, vieles zu streichen. Das ist so verrückt.
Welchen künstlerischen Anspruch haben Sie an das Albumformat, von dem es heißt, es sterbe langsam aus?
Ich weiß nicht, ob ich selbst älter werde, aber ich habe das Gefühl, dass es notwendig ist, einen Gedanken zu vollenden. Ein Album ist wie ein Stempel in der Zeit. Wenn man nur zwei oder drei Songs auf einmal veröffentlicht, hat man das Gefühl, dass man einen Teil der Geschichte verpasst. Eine Band wie Rise Against hatte schon immer nicht nur einen Sound. Wir haben Pop-Elemente, Punk-Elemente und Rock-Elemente. Und wenn man da nur einen Song veröffentlicht, ist das wie eine schlechte Repräsentation der Band. Denn wenn man eine Nummer wie "Swing Life Away" hört, denkt man, das ist eine sanfte Akustikband. Oder bei "The Eco-Terrorist in me" denkst du, Rise Against ist eine Hardcore-Band. Ich glaube also nicht, dass die Veröffentlichung eines Songs hier und da ein gangbarer Weg ist, um künstlerisch voranzukommen. Aber ich kenne auch die Aufmerksamkeitsspanne meiner Kinder. Es sind manchmal nur 30 Sekunden und dann sind sie auch schon mit etwas anderem beschäftigt.
Punk-Legende Bill Stevenson von den Descendents war lange Ihr Stammproduzent. Bei diesem Album jedoch saß die dreimalige Grammy-Gewinnerin Catherine Marks an den Reglern. Sollte Sie Ihrer Musik eine Frischzellenkur verpassen?
Wir haben sie einfach machen lassen, was sie als Produzentin für die Songs am besten fand. Wir haben Demos aufgenommen, und sie hat uns Vorschläge zu den Sounds gemacht. Ihr ging es darum, die rohe Live-Energie der Band einzufangen. Ich habe viele der Songs live zusammen mit Brandon aufgenommen, nur Bass und Schlagzeug. Das ist etwas, was ich noch nie getan habe. Wir nehmen die Drums sonst immer zuerst auf und ändern sie nach Bedarf. Und dann füge ich den Bass hinzu. Das ist sehr klinisch, wie unter dem Mikroskop. Aber Catherine wollte wirklich den Moment einfangen. Deshalb klingt diese Platte auch so anders. So war sie auch bei Tims Gesang. Er hat die Songs drei oder vier Mal gesungen, und dann ging es weiter zum nächsten Titel.
Haben Sie Catherine Marks ausgewählt, weil sie eine eigene Handschrift als Produzentin hat?
Da wir seit 25 Jahren eine Band sind, dachte unsere Plattenfirma, es wäre gut, wenn wir einmal etwas Neues ausprobierten. Sie hatten auch gute Erfolge mit den Produktionen von Catherine. Sie hat einige Platten für das Label Loma Vista betreut. Sie mochten also wirklich, was sie auf den Tisch brachte, und sie dachten, es wäre irgendwie cool, sie mit uns arbeiten zu lassen.
Es gibt nicht viele weibliche Produzenten im absolut harten Genre. Hat Catherine Marks einen weiblichen Blick auf Ihre Musik?
Manche assoziieren eine Produzentin mit einem leichteren Ansatz. Aber sie war genau das Gegenteil. Catherine wollte, dass unsere Platte so klingt, wie wir es live machen. Aber ihre Arbeitsweise war dann ganz anders als das, was wir gewohnt waren. Es war also ein bisschen beunruhigend, weil ich plötzlich jeden Fehler hören konnte. Sie aber sagte: Das ist verdammt perfekt!
Das Album haben Sie vor Trumps Wiederwahl geschrieben. Als er zum ersten Mal Präsident wurde, waren Ihre drei Kinder noch klein und Sie mussten ihnen erklären, wie ihr Präsident tickt. Wie war das für Sie?
Es war erschreckend, vor allem wegen der Frauenfeindlichkeit, die mit Trump ins Weiße Haus einzog, und weil ich eine Tochter habe. Zuallererst wollte ich meinen Kindern klar machen, dass es nicht in Ordnung ist, was der Präsident sagt. Wir erziehen sie nicht dazu, homophob oder rassistisch zu sein. Ich meine, das ist selbstverständlich, aber wir wollten sichergehen, dass sie nicht in die Häuser anderer Leute gehen und dann vielleicht einen rechtsgerichteten Elternteil etwas Derartiges sagen hören. Wir wollten uns vergewissern, dass sie wissen, warum wir Eltern das, was Trump tut, für falsch halten.
Haben Ihre Kinder das beherzigt?
Zum Glück ja. Man hört immer irgendwelche großmäuligen Eltern in der Nachbarschaft, mit denen man politisch nicht einverstanden ist. Damit muss man irgendwie zurechtkommen. Es ist aber trotzdem sehr beängstigend, selbst jetzt, wo meine Kinder älter sind. Meine Tochter etwa besitzt keinen Filter. Sie sagt einfach, was ihr durch den Kopf geht. Anderen Eltern sagt sie zum Beispiel Dinge wie: "Daran glaube ich nicht!" Sie redet keinen Unsinn. Das ist ziemlich genial.
Trump hat damit gedroht, gerichtlich gegen seine Kritiker vorzugehen. Und Sie und Ihre Bandkollegen sind definitiv Kritiker von ihm.
Ja, absolut. Es ist beängstigend und erschreckend, dass er so weit geht. Das verstößt gegen den ersten Verfassungszusatz. Man sollte in der Lage sein, seine Meinung zu sagen. So wurde es uns beigebracht. Deshalb war Amerika großartig, aber Trump tut das genaue Gegenteil. Ich habe das Gefühl, dass er damit nicht durchkommen wird. Denn es gibt so viele haarsträubende Dinge, von denen man immer dachte, dass sie nie passieren würden. Ich würde gerne glauben, dass die Leute genug zurückschlagen, damit das nicht mehr passiert. Es ist einfach verrückt, dass man als Gesellschaft mit den Jahren eigentlich Fortschritte machen sollte, der Präsident sie aber zurückentwickelt - um Jahre und Jahre und Jahrzehnte und Jahrzehnte. Das ist wirklich erschreckend.
Lesen Sie jeden Tag die Nachrichten, um zu sehen, welchen verrückte Sachen Trump schon wieder getan hat?
Ich habe damit aufgehört, weil es so anstrengend war. Er ändert seine Meinung buchstäblich jeden Tag, und nichts ist konkret. Es ist so, als ob er einfach etwas aus dem Stegreif sagt, und am nächsten Tag macht er vielleicht einen Rückzieher oder ändert seine Meinung noch mehr. So wie bei den Zöllen, wo er einen 50-prozentigen Zoll auf Stahl einführen will. Außerdem ließ er zu, dass das japanische Unternehmen Nippon Steel US Steel kauft. Es ist offensichtlich, dass er das tat, um davon persönlich zu profitieren, und dann hebt er die Zölle an, damit die Leute nur noch US-Stahl kaufen, der aber Japan gehört. Alles, was er tut, kommt ihm und seinen Milliardärsfreunden zugute, das ist klar. Aber anscheinend ist es nicht klar genug, denn es gibt immer noch Leute in Amerika, die glauben, er tue dies für das Allgemeinwohl.
Das Album "Ricochet" von der Band Rise Against erscheint am Freitag, 15. August.