"Purer Selbstausdruck"
Rockgitarrist Michael Schenker stellt sein neues Album "Don’t Sell Your Soul" vor.

Von Steffen Rüth
Irgendwo auf dem Highway auf dem Weg von einem US-Ostküstenkonzert zum nächsten kriegen wir Michael Schenker (70) telefonisch zu fassen. Schenker ist wohl einer der besten Rockgitarristen, die je in Deutschland zur Welt kamen, er spielte bei den Scorpions, bei UFO und stand kürzlich in Wacken mit seinem Kumpel Slash zusammen auf der Bühne.
Michael, wer oder was hat dich zu deinem neuen Album "Don’t Sell Your Soul" inspiriert?
Die Inspiration ist bei allen meinen Platten dieselbe: Sie kommt aus meinem Innern. Zum Vorschein kommt dann jedes Mal das, was mir in diesem Moment gerade Spaß macht. Ich nenne das: purer Selbstausdruck. Bei diesem Album ist es jetzt so, dass es sehr Uptempo geworden ist.
Es ist lediglich ein Jahr her, seit du dein vorheriges Werk "My Years With UFO" vorgelegt hast. Sieht so aus, als würde es in deinem Inneren gerade mächtig tosen.
Das kann man so sagen. Ich habe vor einigen Jahren Stücke geschrieben wie wild, um dann drei Alben nahezu parallel aufzunehmen. "My Years With UFO", "Don’t Sell Your Soul" und eins, das 2026 rauskommen soll und "Freedom Of Expression" heißen wird. Man könnte auch sagen, mit diesen Veröffentlichungen feiere ich meine Vergangenheit, meine Gegenwart und meine Zukunft. "Freedom Of Expression" sollte ursprünglich ein rein akustisches Album werden, dann haben wir das Konzept etwas geöffnet. Die Platte ist schon so gut wie fertig, ich verspreche einige Dinge, die wir noch nie gemacht haben. Als Gäste sind unter anderem der frühere Scorpions-Drummer Hermann Rarebell dabei, sowie seine Frau Claudia am Saxophon.
Du warst Mitte der Siebziger fünf Jahre lang Gitarrist der britischen Hardrock-Band UFO ("Doctor Doctor"). Warum hast du die alten Nummern, mit Gesangsgrößen wie Axl Rose, Joe Tempest und Dee Snider, noch einmal neu aufgenommen?
Wenn man mich googelt, bekommt man fast nur Einträge aus der Zeit nach 1982, als ich mit der Michael Schenker Group anfing. Die Leute sollen aber nicht denken, ich sei musikalisch erst in den Achtzigern zur Welt gekommen. Das ist aber überhaupt nicht der Fall.
Du warst sehr früh sehr gefragt.
Ich habe Jahre vor meinem Bruder Rudolf schon in den USA gespielt. Meine Mitgliedschaft bei UFO ist jetzt fünfzig Jahre her, also lasst uns das feiern. Viele Generationen haben diese Band ja gar nicht mitbekommen. Oder längst wieder vergessen. Und so habe ich die meisten Stücke unserer Live-Platte "Strangers In The Night", die ja im Grunde genommen eine Best-Of von UFO ist, wieder hervorgeholt. Nebenbei wollte ich mit dieser Veröffentlichung kundgeben, dass die meisten dieser musikalischen Kompositionen von mir sind. Insofern ist das alles Aufklärung über die Geschichte.
Mit 15 bist du bei den Scorpions eingestiegen, mit 17 zu UFO gewechselt.
Ich habe den Scorpions immer gesagt, dass es mich künstlerisch nach England zieht. Ich wollte dort Musik machen. Natürlich habe ich die Einladung angenommen, als UFO fragten.
1978 hast du UFO verlassen, danach nochmal kurz die Scorpions verstärkt, 1982 hast du dich als MSG, also Michael Schenker Group, selbstständig gemacht. Zwischendrin hättest du die Chance gehabt, etwa bei Ozzy Osbourne oder den Rolling Stones einzusteigen. Bereust du es, das nicht gemacht zu haben?
Ich habe die Scorpions mit angeschoben, ich habe die besten Songs für UFO geschrieben, und dann habe ich mich aus dem Staub gemacht. Ich habe den Anschub gegeben, aber ich wollte kein Rädchen einer solchen Rockmaschine zu sein. Ich wollte frei leben. Als ich weg war von den Scorpions kam der Manager Peter Mensch, mit dem ich damals zusammenwohnte, und schickte mich zu Aerosmith. Ich sollte für Joe Perry einsteigen. Das war 1979, eine komische, verwirrende Zeit für mich. Aerosmith rauften sich dann wieder zusammen, kurz danach sollte ich vorspielen bei den Rolling Stones, das kam aus heiterem Himmel, und ich war so schockiert, dass ich nie zurückrief. Als nächstes kam der Anruf von Ozzy Osbourne, das hat mich gereizt, aber ich musste mich fragen: Michael, was soll das? Du hast dich von UFO und den Scorpions zurückgezogen, weil du deinen eigenen Weg gehen wolltest, und jetzt willst du bei Ozzy spielen? Ich habe es dann gelassen.
Haben dich der Glamour, die Dekadenz, die Drogen der 80er-Jahre-Rockszene angewidert?
Nein, mich hat das weder abgestoßen noch angezogen. Für mich kam ein solches Leben nur nicht infrage, mir waren diese Begleiterscheinungen alle egal. Das hätte mich unglücklich gemacht? Oder ich wäre nicht alt geworden, wie so viele andere. Warum soll ich irgendwelchen Blödsinn machen, um Aufmerksamkeit zu bekommen? Ich muss nicht in der Riesenlimousine durch Los Angeles kutschiert werden wie mein Bruder Rudolf. Bei mir zählte wirklich immer nur die Musik.
Der Titelsong "Don’t Sell Your Soul" ist also autobiografisch zu verstehen?
Ja, jedes einzelne Wort. Da geht es um die Sachen, über die wir gerade gesprochen haben. Meistens schreibe ich meine Songtexte zusammen mit Michael Voss, der auch mein Produzent ist und mit dem ich seit vielen Jahren eng zusammenarbeite. Die Musik auf dem Album stammt komplett von mir.
"It’s You" ist ein Liebeslied. Hört man nicht oft von dir, sowas Romantisches.
Den Text habe ich auch selbst geschrieben. Das Lied ist für meine Frau Ayako Kitazoe. Wir haben uns vor drei Jahren getroffen und sind seitdem zusammen. Darüber wollte ich gerne etwas schreiben.
Ausgerechnet an deinem 70. Geburtstag habt ihr auch geheiratet.
Ja, das stimmt. Wir dachten, beides ist ein Grund zum Feiern, also feiern wir es doch zusammen. 70 zu werden ist schon ein Meilenstein. Man bleibt kurz stehen und denkt "Okay, bis hierhin habe ich es also geschafft".
Info: Das Album "Don’t Sell Your Soul" ist ab dem 3. Oktober erhältlich.