"Ich wollte mich selbst austricksen"
Drangsal, der Solokünstler, war einmal: Für sein neues Album hat sich Max Gruber Hilfe bei Freunden und einem Gesangscoach geholt.

Max Gruber, umrahmt von seinen neuen Mitstreitern Lukas Korn (l.) und Martin Holley. Foto: J. Philipzen
Von Marco Partner
Erst vor wenigen Tagen hat Max Gruber das letzte Mannheimer Maifeld Derby auf spielerische Weise beerdigt (die RNZ berichtete). Nun steigt er mit seinem neuem Album wie Phönix aus der Asche empor – und das nicht mehr als Solostar, sondern mit Drangsal als Band. Im Interview mit Marco Partner spricht der 31-jährige Südpfälzer über einen Bandwurm von einem Albumtitel, die neue Drangsal-Dreisamkeit und über das Suchen und Finden der eigenen Stimme.
Max, wie war das Maifeld Derby? Euer Auftritt soll düster und rosa zugleich gewesen sein. Wie geht das?
Max Gruber: Das geht, wenn das Licht nur von hinten kommt. So wird man für das Publikum zur Silhouette – und das war auch die Absicht: weg von der One-Man-Show! Sodass wir als Band auch als Einheit wahrgenommen werden. Beim Maifeld Derby fand ich sehr schön, dass es nicht so eine Trauerstimmung gab, sondern es so war, wie eine gute Beerdigung sein sollte: feiern, dass es etwas gab, statt betrauern, dass etwas nicht mehr ist.
Dein neues Album steht für einen Neuanfang: neue Band, neuer Sound. Und doch wird getötet! Ich habe gelesen: Du hast den Soloartist in dir gekillt. Wie geht es Max Gruber?
Der hat sich gerade für Rock am Ring vier Paar Socken gekauft, ihm geht’s also gut. Der Wechsel vom Solokünstler hin zu Drangsal als fester Band war notwendig, da sich meine musikalische Sprache dann doch langsam auserzählt hatte. Ich wollte mich selbst austricksen, aber das gelingt mir nur durch Fremdeinfluss. Jetzt bin ich glücklich, dass ich in Lukas Korn und Marvin Holley Mitstreiter gefunden habe.
Wie ist es jetzt, so dreigeteilt zu sein und mit anderen zusammen Drangsal-Songs zu schreiben?
Extrem angenehm. Mir fiel es zu Beginn schwer, keine überbordende Entscheidungsmacht walten zu lassen, wie ich es ja gewohnt war. Aber je öfter wir zusammenkamen und je mehr ich die Zügel losgelassen habe, desto mehr habe ich es genossen.
Was gleich auffällt: Es klingt nicht mehr nach Synthi-Pop, dafür wirkt alles handgemachter mit Klavierparts, Cembalo oder auch Saxofon.
Schon bei den Demos wollte ich explizit weg vom Computer und Songs schreiben, die ich auch von Anfang bis Ende durchspielen kann. Keine versatzstückartigen Klangpuzzles mehr. Unser Produzent Max Rieger meinte dann, er würde nichts austauschen. Daher sind wir zum größten Teil bei Akustikgitarre und Klavier geblieben. Ein gellender Synthi hätte nicht gepasst. So ist es jetzt ruhiger, in sich gekehrter – und so fühle ich mich auch.
"Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen" lautet der Albumtitel. Das hat etwas von "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand". Ist lang das neue einprägsam?
Es gab einen anderen Arbeitstitel, aber der hatte sich weniger richtig angefühlt. Ganz zuletzt, also "hinnerum", kam der Song "Die Satanischen Fersen" dazu, aus dem diese Zeilen stammen. Ich wusste sofort: Das ist es! Und es ist beileibe nicht der längste Albumtitel ever. Ich weiß, die Leute wollen etwas Pointiertes und Griffiges. Aber ich fand gerade schön, dass es so eine Antithese ist.
Das ganze Album wirkt ja wie eine ironische Konfrontation mit dem Zeitgeist. Statt immer höher, schneller, weiter geht‘s bei dir "Bergab", du fühlst dich "Inkomplett" und singst vom In-sich-selbst-gefangen-Sein.
Beim Vorgängeralbum "Exit Strategy" wollte ich Weirdness und Pop mit Zuckerguss zusammenkleben. Jetzt klingt das neue Album für viele dystopisch und drastisch. Ich habe den Prozess aber als familiär empfunden. Ich schreibe auf, was mir einfällt – ohne Rechtfertigung.
Ich finde, gerade gegen Ende klingt es gar nicht so dystopisch. "Liebe nicht weil, sondern liebe obwohl", lautet eine Botschaft in "Inkomplett" – für mich die schönste Zeile.
Danke, ich finde den Gedanken niedlich und wichtig, dass man nicht wegen, sondern trotz etwas geliebt wird. Der ganze Text ist drollig, voller kindlicher Wortspiele. Ich hatte zuvor zum Teil sehr lautmalerische Gedichte von Ernst Jandl gelesen, die nicht unbedingt bedeutungsvoll sind, aber klanglich Spaß machen. Ich mag es, wenn man Sprache loslöst von ihren Regeln.
Du hast in jüngster Zeit auch Gesangsunterricht genommen. War das als erfolgreicher Künstler mit einer gewissen Scham verbunden?
Im Gegenteil, es war mir immer bewusst, dass meine Art zu singen schroff und anstrengend war. Das hat sich in einer Enge manifestiert und in einem Klang, der mir nicht gefallen hat. Ich bin zu einem Phoniater, einem Facharzt für Stimmheilkunde, gegangen, da ich die ganze Zeit heißer war. Ich dachte, ich hätte was an den Stimmlippen, aber ich war kerngesund. Er empfahl mir den Unterricht. Und es war Liebe auf den ersten Blick. Heute bin ich froh, dass ich mir nicht mehr meinen Lack absinge.
Info: "Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen" erscheint am Freitag.