Mannheim

Helge Schneider impft seine Seele

Vor seinem Auftritt in Mannheim am 16. Main spricht Helge Schneider über "Katzeklo", Kontrabässe und sein Vorbild Frank Sinatra.

30.04.2025 UPDATE: 30.04.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 45 Sekunden
Foto: dpa​

Keine KI kann ihn nachbilden: Helge Schneider ist ein Original. Vor 50 Jahren veröffentlichte der Musikclown sein erstes Album und im August 2025 wird er 70. Trotzdem ist er immer Kind geblieben. Olaf Neumann traf den preisgekrönten Künstler in seinem Domizil in Mülheim an der Ruhr und tauchte ein in das schneidersche Universum.

Das Motto Ihrer neuen Tournee lautet: "Ein Mann und seine Musik". Wird Jazz bei Ihren Auftritten immer wichtiger?

Ich bezeichne das alles als Musik. Ich bin Musiker, aber auch Clown. Musikclown, kann man sagen. Und "Ein Mann und seine Musik" – ich dachte, das passt ganz gut. Ohne Musik wär das nichts.

Sie haben vor 50 Jahren Ihr erstes Album veröffentlicht und werden am 30. August 70. Was macht Sie beim Blick auf die zurückliegenden Jahrzehnte besonders glücklich?

Dass ich 1975 meine erste Schallplatte veröffentlicht habe. Im Trio. Es macht mich glücklich, dass ich damals diesen Weg gegangen bin. Das war der Anfang von dem Denken, jetzt doch mit Musik meinen Lebensunterhalt verdienen zu wollen. Das ist zwar erst später eingetreten, aber es macht mich glücklich, wenn ich daran zurückdenke.

Werden Sie bei der Geburtstagstournee ein Best-of-Programm spielen?

Nein, glaube ich nicht. Ich bin auch kein Geburtstagstyp. Diese Tournee gibt es nicht, weil ich 70 Jahre alt werde. Danach mache ich eine Zäsur, weil ich mal wieder einen Film drehen will. Dafür muss man ein bisschen Platz haben.

Wann war bei Ihnen der erste Moment der inneren Überzeugung, ein Künstler zu sein?

Schon ziemlich früh. Ich hatte Klavierunterricht und habe schon improvisiert. Ich besaß auch einen Kontrabass und habe in einer Band gespielt – bei Hochzeiten die ganze Nacht. Das war der Anfang meiner Musikerkarriere. Ich habe heute noch jede Menge Kontrabässe. Das Instrument war für mich immer das Rückgrat der Musik, auch im Jazz. Ich hatte immer eine Affinität zu Bassisten.

Vielen Spaßmachern geht es darum, mit ihrer Komik die Seele des Volkes zu erfassen. Worum geht es Ihnen?

Ich habe nichts dagegen, wenn das jemand sagt. Aber ich denke nicht darüber nach. Ich weiß nicht, ob ich die Seele des Volkes erfasse. Ich impfe eher meine Seele in das Volk ein.

Was genau macht einen Menschen zu einem Künstler?

Kreativität. Echtheit. Löcher. Pausen. Timing. Sehendes Umwandeln von dem, was man fühlt, in Musik, Malerei oder Erzählungen. Das ist der Künstler.

Machen Sie viele Dinge immer noch genauso wir vor 50 Jahren?

Ja, kann man sagen. Vielleicht mit mehr Rückgrat. Frech sein mit mehr Verstand. Ich war manchmal schon ganz schön frech, muss ich sagen.

An was denken Sie eigentlich auf der Bühne?

Ich denke immer: jetzt das, dann das. Mal gucken, was jetzt kommt. Ich muss schon immer denken. Im Kopf muss man immer einen Schritt voraus sein, damit das Timing stimmt.

Im Lauf einer Tour verändert sich Ihr Programm immer sehr, besonders die Wortanteile.

Ja, da muss man zuhören. Aber das ist nicht so einfach, ich habe nun mal ältere Leute im Gepäck. Da ist in Sachen Zuhören manchmal nicht mehr so viel drin. Wenn du als Musiker mit Leuten spielst, die Hörgeräte tragen, ist das etwas ganz Besonderes. Die Leute denken immer, das ist nur Spaß, aber es funktioniert trotzdem.

Was muss gegeben sein, damit Sie sich auf der Bühne wohlfühlen?

Eine gute Präsentation. Eine gute Akustik. Die Leute müssen offen sein. Dieses Jahr habe ich mich fast immer wohl gefühlt. Manchmal ist es mir aber zu groß. Das Wissen, dass die ganz hinten einen nicht mehr so gut hören oder sehen, beeinflusst einen.

Sie tragen eine besondere Gabe in sich: die Magie des Liederschreibens.

Es funktioniert nicht, sich hinzusetzen und ein Lied zu schreiben. Das wird immer schwerer, weil ich viele Lieder schon geschrieben habe. Mit Rosen kann ich keines mehr machen. Gefunkt bei mir geht auch nicht mehr. Ich habe "Katzeklo" gemacht. Würde ich jetzt ein Lied über einen Hund oder einen Papagei schreiben, erinnert mich das an "Katzeklo" und würde nie so gut werden. Ich bräuchte einen ganz neuen Themenbereich.

Legen Sie in Ihre Lieder immer alle Kraft hinein?

Nee. Ich schreibe immer etwas auf und setze mich ans Klavier. Beim ersten Singen bleibt von dem Text nur noch ein Drittel über. Und das vereinfache ich nochmals. Bei mir müssen Musik und Gesang zusammen funktionieren. Ich will kein Politbarde sein und irgendwas Erklärendes singen so wie Konstantin Wecker oder Reinhard Mey. "Gefunkt bei mir" zum Beispiel ist eine auf den Punkt gebrachte Liebesgeschichte. Mein Vorbild Frank Sinatra hätte den Text viermal hintereinander gesungen, und dann wäre das Lied auch dreieinhalb Minuten lang. Er hatte allerdings eine sehr schöne Stimme, muss ich sagen.

Jetzt machen Sie schon seit 50 Jahren eigene Lieder. Je länger man Lieder schreibt, desto besser wird man. Stimmt dieser Satz?

Nee, finde ich nicht. Alles Zufall. Viele meiner Lieder singe ich live gar nicht mehr. Zum Beispiel "Forever at home" aus der Corona-Zeit. Das war ein Beitrag für den Free ESC. Ich habe es nie mit meiner Band gesungen. Ein andermal bin ich für den Free ESC als Udo Lindenberg aufgetreten – mit dem Lied "Supergeiler Helge Schneider". So was mache ich nie wieder. Ich bin jetzt bald 70 und spiele nur noch meine eigenen Live-Auftritte. Selbst wenn ich den Nobelpreis verliehen bekommen sollte, würde ich sagen: Nee, lass mal, nimm jemand anderes! Ich will keine Preise, ich will meinen Spaß haben.

Hand aufs Herz: Wie reich sind Sie wirklich?

Viel reicher als die meisten denken. Aber das hat nichts mit Geld zu tun. Geld interessiert mich nicht. Aber ich brauche es natürlich, um meine Miete zu zahlen. Wenn ich das Geheimnis jetzt verrate, dass ich auf Tournee gehe, damit ich meine Miete bezahlen kann, ist es kein Geheimnis mehr.

Sie sind gesegnet mit Kreativität.

Ja, das ist mein Reichtum. Aber trotzdem rate ich jedem zu einer Patientenverfügung.

Info: Die aktuelle Tournee "Helge Schneider Live: Ein Mann und seine Musik" bringt ihn u. a. am 16. Mai in den Mannheimer Rosengarten und am 18. Mai nach Saarbrücken.