Schwetzinger Festspiele

Monteverdis "L’Orfeo" in einer "halbszenischen" Produktion

Claudio Monteverdis "L’Orfeo" mit dem Ensemble "La Venexiana" bei den Schwetzinger Festspielen

07.05.2017 UPDATE: 08.05.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden

Das Ensemble "La Venexiana" gastiert derzeit mit Monteverdis Oper unter der Leitung von Davide Pozzi im Schwetzinger Rokokotheater. Foto: SWR

Von Matthias Roth

An einer Stelle in Claudio Monteverdis "L’Orfeo" heißt es, dass der traurige Held dieser ersten Erfolgsoper der Musikgeschichte von 1607 nicht vom Tod besiegt worden wäre, sondern von seinem Gefühl. Von Liebe und die Sehnsucht, ums genau zu sagen, die ihn dazu brachten, den Kopf zu wenden beim Aufstieg aus der Unterwelt, aus der er seine geliebte Euridice herausholen durfte, nachdem sie von der Schlange tödlich gebissen worden war. Sein Gesang habe die Götter dazu bewegt, eine Ausnahme zu machen vom ehernen Gesetz, dass, wer gestorben ist, nie wieder über die Erde wandeln soll.

Die Geschichte ist hinreichend bekannt, dieser Gedanke aber, dass das Herz über uns bestimmt, setzt die Epochenmarke. Er markiert den Grenzübertritt von der Rationalität der Renaissance, die den Geist des Menschen und seine Fähigkeit, die Welt nicht nur zu deuten, sondern auch zu erklären, in den Mittelpunkt setzte, hin zum Zeitalter des Barock, das der Sinnlichkeit größeren Raum einräumte. Das erstmals seit der Antike wieder aufblühende Theater zeigt es mit seinen Effekten, die das Herz rühren und den Verstand überrumpeln.

Monteverdi war ein Meister darin, und auch im Jahr seines 450. Geburtstags haben seine Ausdrucksmittel ihre Wirkung nicht eingebüßt, wie man derzeit in Schwetzingen erleben kann. Nach der bemerkenswerten Uraufführung zur Eröffnung der Festspiele, die Altes und Neues kunstvoll miteinander verwob, sind nun die drei erhaltenen Opern des Italieners in "halbszenischen" Produktionen im Rokokotheater zu erleben - die Vorstellungen waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.

Aber was heißt nun "halbszenisch"? Auf der schmucklosen Bühne standen bei "L’Orfeo" so viele Stühle, wie das Stück Beteiligte hat, und diese betraten die Bretter, die die Welt bedeuten, in moderner Straßenkleidung: Ein Fest zu Beginn, dann die Todesnachricht, die Unterwelt in rotes Licht getaucht - viel braucht es nicht, eine Geschichte zu imaginieren. Das Ensemble "La Venexiana" ist auf solcherlei szenischen Minimalismus (Einrichtung: Francesco Puleo) spezialisiert, der die ganze Aufmerksamkeit auf die Musik lenkt.

Und diese erzählt ja alles und braucht dazu ebenfalls kaum großen Aufwand: vier Streicher, zwei Blockflöten, eine Truppe von "Stadtpfeifern" mit Zinken, Trompete und Posaunen, dazu eine umfangreiche Continuo-Gruppe mit Theorbe, Harfe, Cembalo, Orgel und "Regal" - eine kleine Orgel mit schnarrenden Registern, die immer dann zum Einsatz kommt, wenn die Unterwelt dargestellt werden muss.

Unter der Leitung von Davide Pozzi, der das Blech aus der Seitenloge im ersten Rang blasen ließ und selbst Cembalo und Truhenorgel bediente, war "L’Orfeo" im kleinen Rokokotheater ein großes Ereignis, nicht nur für Feinschmecker der Alten Musik. Die mitteltönig gestimmten Instrumente, die bewegende Chromatik, die Farbigkeit des Bassfundaments - Monteverdi pur.

Die Vokalisten sangen auf insgesamt hohem, geschultem Niveau. Luca Dordolos Orfeo hatte zu Beginn wenige Schwächen im Lyrischen, punktete aber im dramatischer werdenden zweiten Teil der Aufführung mit ausgedehnten Solonummern. Die ganze Ausdruckskraft der Musik spiegelte sich hier in seiner Stimme. Emanuela Galli als Musica und Euridice konnte wie Silvia Rosato Francini (Proserpina) und Sophia Patsi (Speranza) ebenfalls für sich einnehmen. Auch Salvo Vitales Basstiefe beeindruckte sehr als Wächter zum Totenreich und Alessio Tosis leichter, hoher Tenor betörte.

Info: Sendung des Mitschnitts in SWR2 am 14. Mai, 21 Uhr.

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