Nachruf auf Fritz Rau: In Heidelberg fing alles an
Konzertveranstalter Fritz Rau tot - Er brachte die Stones, Madonna, Miles Davis oder Jimi Hendrix nach Deutschland

"Du bist der Pate von uns allen", sagte Mick Jagger einmal über ihn, und Udo Jürgens wusste, dass er "als Pionier für die 'gute Musik' unendlich viel Idealismus in seinen Beruf" investierte. Nun ist er tot - der Konzertveranstalter Fritz Rau ist mit 83 Jahren in Kronenberg bei Frankfurt gestorben.
Rau hat über 50 Jahre lang die bedeutendsten Musikgrößen des Jazz-, Pop- und Rock-Business nach Deutschland gebracht. Er erfand neue Formate und veranstaltete die ersten Open-Air-Konzerte der Republik. Er galt neben Marek Lieberberg als bedeutendster Konzertveranstalter der U-Musik-Branche des Landes. Er selbst bezeichnete sich in seinen Erinnerungen "als einen Tatzeugen in Sachen Unterhaltungskultur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts". Er war ein Macher und kümmerte sich dabei um fast jedes Detail persönlich.
In Pforzheim geboren, erlebte der 15-Jährige das Kriegsende als "Jungvolkführer", für den eine Welt zusammenbrach. Doch der erste Kontakt mit US-amerikanischen Soldaten, ihrer lockeren Art und dem Swing, den sie mitbrachten, veränderte sein Leben: Der "Jazz bedeutete für mich eine geistige und seelische Wiedergeburt", schreibt er in "50 Jahre Backstage" (Palmyra Verlag Heidelberg).
In Heidelberg begann Fritz Rau ein Jura-Studium, aber seine Liebe gehörte dem Jazz. 1954 war er einer der Gründungsväter des ersten studentischen Jazzclubs in Deutschland, dem heute noch existierenden "Cave 54", wo er auch selbst als Kontrabassist auf der Bühne stand.
Mit 25 Jahren (1955) veranstaltete Rau sein erstes eigenes Konzert in der Stadthalle mit den "Frankfurt All Stars" um Albert und Emil Mangelsdorff. Horst Lippmann, den er kennengelernt hatte, lud ihn daraufhin ein, als Kofferträger und Praktikant eine Tournee zu begleiten, wo Rau mit den Jazzgrößen der Zeit in Kontakt kam: mit Ella Fitzgerald, Oscar Peterson und Dizzy Gillespie.
1965 taten sich die beiden Veranstalter zusammen und gründeten mit der "Lippman + Rau GmbH & Co. KG" eine der erfolgreichsten Firmen im seinerzeit heftig aufblühenden Rock-Geschäft. Zuvor schon hatten sie die Bluesveteranen John Lee Hooker oder Muddy Waters nach Europa geholt: Das American Folk Blues Festival war über Jahre die wichtigste Veranstaltung im Bereich der hierzulande noch wenig bekannten, authentischen schwarzen Musik aus USA und wurde schließlich von Joachim Ernst Behrendt im Südwestfunk präsentiert.
Beim einzigen Konzert dieses Bluesfestivals in England, 1962, hatte Fritz Rau ein paar besonders aufdringliche Jugendliche aus dem Backstagebereich hinauskomplementiert, die er später wieder treffen sollte: Es waren Mick Jagger und Keith Richards gewesen, die noch im selben Jahr die Rolling Stones gründeten, die Rau 1970 auf Tour durch Deutschland schicke.
Nach dem Vorbild der Großveranstaltungen in den USA fanden auch in Europa die Konzerte inzwischen nicht mehr in angestammten Konzertsälen statt, sondern in Messehallen, Stadien oder im freien Gelände. Das erforderte eine völlig neue Logistik, die Fritz Rau mit entwickelte. Es war dabei nicht leicht, das Chaos zu organisieren und der Besucheranstürme ohne Polizeieinsätze Herr zu werden. Aber aus der Desorganisation bei Woodstock oder den Gewaltausbrüchen in Altamont (beide 1969) habe er viel lernen können, betonte Rau.
Tatsächlich hielt er sich mit der Veranstaltung solcher Mega-Festivals zurück und überließ dieses Feld seinen Konkurrenten, etwa Marcel Avram (Mama Concerts), mit dem er sich in den 90ern zusammentat. Die Verhaftung dieses Kollegen 1997, der wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, führte schließlich zur Liquidation der gemeinsamen Firma, aber nicht zum Ende der Aktivitäten. Rau selbst ging mit weißer Weste aus den damaligen Steuerskandalen hervor.
Mit den Stones war ihm 1970 der Durchbruch als Rockveranstalter gelungen. Aber viele legendäre Musiker und Bands hatte er nach Deutschland geholt: The Who und The Doors, Jimi Hendrix, Bob Dylan und Frank Zappa, Eric Burdon, Eric Clapton oder Emerson, Lake & Palmer. Bruce Springsteen, David Bowie, Harry Belafonte, Madonna, Queen, Michael Jackson und Prince, daneben aber auch Joan Baez, Miles Davis und John Coltrane wurden von ihm gemanagt.
Nicht zu vergessen die frühe deutsche Liedermacher- und Rock-Szene: "Er ist wie ein Vater für mich", sagte Udo Lindenberg einmal über den Veranstalter, der immer auch ein Herz für die Probleme und Wünsche seiner Künstler hatte. Die Begegnung und Zusammenarbeit mit Peter Maffay, dessen Trauzeuge er war, bezeichnete Fritz Rau als "Glücksfall meines Lebens".
2004 zog sich Fritz Rau aus dem aktiven Geschäft zurück und schrieb ein Buch über sein Leben mit den Stars, zu dem ihn der Heidelberger Verleger Georg Stein überredet hatte. "Ich bin Kartenverkäufer, kein Schriftsteller", habe er zunächst hartnäckig abgewehrt, sich aber dann doch dazu bereiterklärt. Er machte auch ein "Plädoyer für die Unterhaltungskultur" daraus. Die achte, aktualisierte und erweiterte Neuauflage ist Ende letzten Jahres erschienen.
Info: Fritz Rau "50 Jahre Backstage - Erinnerungen eines Konzertveranstalters. Vorwort von Udo Lindenberg. Palmyra Verlag Heidelberg, 339 Seiten, 19,90 Euro.



