Heidelberger Theater

"Ein in Europa einmaliges Gebäude"

Macher, Musen und Mäzene: Klaus Welzel dokumentiert in seinem Buch "Die ganze Welt ist Bühne" die Sanierung, Erweiterung und Geschichte des Heidelberger Theaters

23.11.2012 UPDATE: 23.11.2012 11:18 Uhr 3 Minuten, 33 Sekunden
Blick von der Bühne in den neuen Zuschauersaal. Die Holztäfelung der Akustikwand lässt sich von innen beleuchten. Fotos (2): Thomas Ott

Von Volker Oesterreich

Heidelberg. Wer sich dem sanierten und erweiterten Heidelberger Theater nähert, erlebt eine dramaturgisch perfekt ausgeklügelte Inszenierung: erst das geschäftige Gewusel in der Hauptstraße, dann Momente der Einkehr in der deutlich ruhigeren Theaterstraße - und schließlich das große Aha-Erlebnis beim Betreten des Gebäudekomplexes. Er atmet Weite, Wärme, Helligkeit und Transparenz. Seine Architektur verknüpft das Gestern mit dem Heute und eröffnet Perspektiven für die Zukunft. Das Gesamtensemble, geschaffen vom Darmstädter Architektenbüro Waechter und Waechter, bietet Spiel- und Denkräume für die Stadt und ihre Gäste, wie man sie sich nur wünschen kann.

Nach dreijähriger Sanierungs- und Neubauphase wird an diesem Wochenende der Neue Saal mit der Premiere von Tschaikowskys selten gespielter Oper "Mazeppa" eröffnet. Damit wird ein fast vergessenes Werk wiederentdeckt, dirigiert vom neuen Heidelberger Generalmusikdirektor Yordan Kamdzahlov. Und das Publikum kann sich einem völlig neuen Raumerlebnis hingeben. Drei Premieren also auf einen Schlag.

Bereits am vergangenen Wochenende konnten die Heidelberger beim "Tag der Theater" den prachtvoll sanierten und für die Zukunft fit gemachten Alten Saal sowie die zweckmäßig-elegante Probebühne "Friedrich5" für sich erobern. Und nun also ein weiterer Paukenschlag mit "Mazeppa" am Samstagabend.

Was war nicht alles vonnöten, bis dieser Premierentermin festgezurrt werden konnte?! Jahrelanges Gewurschtel in verwinkelten Altbauten, in denen die Sicherheit der Theatermitarbeiter in hohem Maße gefährdet war. Über Nacht die Theaterschließung im Jahr 2006. Provisorischer Spielbetrieb nach vielen Kompromissen. Langwierige Sanierungs- und Finanzierungsdebatten. Und vor allem eine lange Überzeugungsarbeit zur Rettung dieser für die Stadt so wichtigen Kultureinrichtung.

In seinem Buch "Die ganze Welt ist Bühne" dokumentiert RNZ-Chefredakteur Klaus Welzel einen Kraftakt, den die Stadt, die Bürgerschaft und die Kulturszene in beispielloser Weise vorangetrieben haben. Zahllose Einzelspender und mehrere Großsponsoren, allen voran Wolfgang Marguerre, haben ein Drittel des 64-Millionen-Euro-Projekts bereitgestellt. Ein schier unglaubliches Ergebnis, von dem die Bauherren der Hamburger Elbphilharmonie oder des projektierten Berliner Stadtschlosses nur träumen können ...

Die Rhein-Neckar-Zeitung spielte zu dieser konzertierten Aktion die publizistische Begleitmusik. Sie trommelte unermüdlich, um die Leserschaft für den kulturellen Schatz, den das Theater für die Stadt und die gesamte Region darstellt, zu sensibilisieren. Benefizaktionen, Versteigerungen, der Verkauf von goldenen Bausteinen oder Sessel-Patenschaften - all diese Aktionen des Theaters und des Bürgerkomitees zur Rettung des Hauses wären niemals so erfolgreich gewesen, hätte sich die RNZ dafür nicht uneingeschränkt in zahllosen Artikeln und mit vielen Veranstaltungen stark gemacht.

Den Titel seines Buches, das ab morgen in der Heidelberger RNZ-Geschäftsstelle (Neugasse 4-6) und im Theater erhältlich ist, entlehnte Klaus Welzel dem Shakespeare-Stück "Wie es euch gefällt" - ab 15. Dezember auf dem Programm im Neuen Saal. Welzel blättert darin viele Facetten auf, indem er die Aktionen der Macher, Musen und Mäzene in guter Chronistenmanier begleitet. Der reich bebilderte Band gibt Ein- und Ausblicke in die unterschiedlichsten Erlebnisräume des Theaters. Er schaut weit zurück in die Heidelberger Theatergeschichte, die schon vor mehr als 500 Jahren begann. Und er zeigt, dass schon der 1853 in der Theaterstraße eröffnete Bau des Weinbrenner-Schülers Ludwig Lehndorf nur deshalb eröffnet werden konnte, weil vor rund 160 Jahren die Bürgerschaft viele klingende Gulden bereitstellte. Mehr als 30 000 davon waren nötig, um das Haus anno 1853 mit Schillers Chorstück "Die Braut von Messina" eröffnen zu können.

Ausführlich kommt in Welzels Publikation das Architekten-Paar Sibylle und Felix Waechter zu Wort. Sie sehen im Alten Saal "die Perle des gesamten Ensembles" und sind stolz darauf, den Neuen Saal so konzipiert zu haben, dass er "wie im griechischen Theater als Ganzes zu erleben" ist. Beraten von ihrem Kollegen Uwe Belzner, einem Experten der Theater-Architektur, bauten Sibylle und Felix Waechter beide Säle im 90-Grad-Winkel aneinander, so dass sie multifunktional nutzbar sind. Im Grunde ist ihnen das gelungen, was schon Ieo Ming Pei mit der gläsernen Louvre-Pyramide in Paris, Hans Hollein mit seinem Haas-Haus am Wiener Stephansdom oder Lord Norman Foster mit der neuen Reichstagskuppel in Berlin glückte: Alt und Neu bereichern sich auch im Heidelberger Theater gegenseitig. Im Buch bestätigen das nicht zuletzt die geschmackvollen Fotografien von Renate Deckers-Matzko, Johannes Hoffmann, Thomas Ott sowie von zahlreichen RNZ-Fotografen.

Zusammen mit seinen Koautoren Ingrid Thoms-Hoffmann und Christmut Präger lässt Welzel auf 200 Buchseiten das "Heidelberger Wunder" der Theatersanierung in all seinen Facetten lebendig werden. Der frühere Intendant Peter Spuhler wird als beständig auf Hochtouren laufender Motor des Geschehens porträtiert. Der heutige Hausherr Holger Schultze ist davon überzeugt, dass sich solch ein Theater "sonst nirgendwo in Europa" finden lässt. Oberbürgermeister Eckart Würzner will es in seinem Vorwort kaum wahrhaben, dass sogar ein Elfjähriger "sein gesamtes Taschengeld - fünf Euro - für die Theatersanierung" gespendet hat. Und Wolf Meng wird als der Mann mit der großen Sammelbüchse porträtiert.

Der Leser erfährt natürlich auch, wie die Großsponsoren Wolfgang Marguerre, Manfred Lautenschläger und Bernd Scheifele zu kulturellen "Überzeugungstätern" wurden. Man kann in die Werkstatt des Restaurators Michael Walter blicken, der dem Alten Saal zu neuem Glanz verhalf. Man erfährt, wie das Stiftungsmodell für das Theater beim Steuern sparen half, und kann die musikalischen Taktgeber Cornelius Meister und Yordan Kamdzahlov in ihrem magischen Wirkungskreis belauschen.

Kurzum: Die Theater-Wiedergeburt hat viele Mütter und Väter. Dass der gemeinsame Nachwuchs bereits 159 Lenze zählt, will man kaum wahrhaben. Aber das liegt einfach daran, dass Theater an jedem Abend neu geboren wird. In diesem Sinne: Vorhang auf!

Info: Klaus Welzel: "Die ganze Welt ist Bühne - Das Heidelberger Bürgertheater im neuen Gewand". Großformat mit zahlr. Abb., 200 Seiten. Erhältlich in der Heidelberger RNZ-Geschäftsstelle und im Theater. Inhaber der RNZ-Card zahlen 19,90 Euro, sonst kostet das Buch 29,90 Euro.

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