Auftakt der Heidelberger Schlossfestspiele: 80 spritzige Minuten
Mit dem Stück "Freund Till, genannt Eulenspiegel" wurden die Schlossfestspiele Heidelberg eröffnet - Auch das Wetter mischte dabei kräftig mit

Schwungvolles und gut gelaunt: Im Englischen Bau auf dem Schloss spielen in "Freund Till, genannt Eulenspiegel": Paul Brusa (l.) in der Titelrollen, Massoud Baygan als Raubritter Herr Kunz (M.), Leon Stiehl (2.v.l) und Marcel Schubbe (r.) als seine Gehilfen Bock und Klotz sowie Juliane Schwabe als muntere Nella. Foto: Annemone Taake
Von Ingeborg Salomon
Auf diesen Co-Regisseur hätte die Leiterin des Jungen Theaters, Franziska-Theresa Schütz, wohl gut verzichten können: Als gestern mit dem Stück "Freund Till, genannt Eulenspiegel" die Heidelberger Schlossfestspiele im Englischen Bau eröffnet wurden, mischte das Wetter kräftig mit. 15 schaurige Minuten zu Beginn, dann leidlich trocken und zum Schluss nochmals nass - insgesamt 80 spritzige Minuten, glücklicherweise auch auf der Bühne.
Doch Lachen wärmt das Herz und so auch den leicht unterkühlten Körper, und dazu boten Tills Streiche, eine kurzweilige Inszenierung mit vielen Überraschungen sowie das spielfreudige Ensemble des Jungen Theaters reichlich Gelegenheit. Unter über 500 unterschiedliche Bearbeitungen des Eulenspiegel-Stoffs hat Franziska-Theresa Schütz die Theaterfassung von Katrin Lange ausgewählt, geeignet für Kinder ab fünf Jahren. In der Titelrolle gibt Paul Brusa einen Till, der mit intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit gegen die Obrigkeit aufbegehrt.
Die verkörpert das Zwinger3-Urgestein Massoud Baygan als Raubritter Herr Kunz. Der nimmt zwar den Mund ziemlich voll, wenn es gilt, seine Gehilfen Bock (Leon Stiehl) und Klotz (Marcel Schubbe) quer über die Bühne und hinauf in den Turm zu scheuchen, wird jedoch schnell zum kleinlauten Sohn, wenn Mama Kunz ihren großen Auftritt hat. Pedro Stirner, der zu Beginn und am Ende des Stücks auch jeweils in einer kurzen Szene als Tills Vater auftritt, spielt diese Mama, die alle an ihren üppigen Busen zieht, um ihnen dann zu sagen, wo’s langgeht.
Bühnen- und Kostümbilder Stephan Testi kleidet La Mamma in ein knallbuntes Farbfeuerwerk aus Stoffen, Accessoires und roten Stilettos. Darin stöckelt Pedro Stirner gekonnt über den rutschigen Boden. Den Englischen Bau hat Testi in den Innenraum einer Raubritterburg verwandelt samt überdimensional langer Tafel, Thronsessel, Hirschgeweih, Kronleuchter und einem abgewrackten gelben Porsche mit dem hübschen Namen Gertrud. Darin hört Herr Kunz in seinem Retro-Radio den Raubritter-Sender oder hält ein Nickerchen.
Dass ein weibliches Wesen es in dieser Männerwirtschaft, in der mit großem Kraft- und minimalem Hirneinsatz agiert wird, schwer hat, versteht sich. Doch Juliane Schwabe als Haushaltshilfe Nella, von den Kerlen als "dämliche Trutsche" bespöttelt, hat ein helles Köpfchen und ein großes Herz, und Letzteres verliert sie an Till. Bis der das merkt, dauert es allerdings eine Weile, also muss Nella ihm klarmachen, dass sie zusammengehören, und was böte sich da besser an als eine Namensgleichheit? So wird in Franziska-Theresa Schütz’ Inszenierung Till erst gegen Ende in einer entzückenden Spiegelszene - bei der glücklicherweise kurz die Sonne schien - zum Eulenspiegel, davor ist er einfach "Freund Till".
Zum Schluss ziehen alle Leine, was hier ganz wörtlich zu nehmen ist: Über ein ausgespanntes weißes Band "balancieren" die Darsteller gemeinsam und demonstrieren so friedliche Eintracht; auch Tills Vater Claus ist wieder mit von der Partie. Akteure und Zuschauer sind nun ziemlich nass, klatschen sich aber begeistert warm, und so bekommt Franziska-Theresa Schütz doch noch, was sie sich in einem Interview zum Abschluss ihrer fünfjährigen Tätigkeit als Chefin des Jungen Theaters gewünscht hatte: "ein rauschendes Fest".
Info: "Freund Till, genannt Eulenspiegel" ist bis 15. Juli zu sehen. Termine und Karten unter www.theaterheidelberg.de



