Auge in Auge mit den Ängsten
Edgar Schmandt zeigt seine "Hommage à Prinzhorn" in der Heidelberger Stadtbücherei

Ausdrucksstark und beklemmend sind die Bilder des Mannheimer Künstlers Edgar Schmandt. Foto: Chl
Von Milan Chlumsky
Heidelberg. Der Mannheimer Künstler Edgar Schmandt hat sich intensiv mit der Kunst von Psychiatriepatienten und der Heidelberger Prinzhorn-Sammlung auseinandergesetzt. Die meisten Patienten hatten keine künstlerische Ausbildung. Dennoch schufen sie Werke, die von höchster Komplexität sind und vermuten lassen, dass sie durch keinerlei Einflüsse "verfälscht worden" sind. Einen solchen unverfälschten künstlerischen Ausdruck suchte beispielsweise auch Jean Dubuffet, der Begründer der Art Brut, während seines Besuchs in Heidelberg in den 1960er Jahren. Dabei flossen viele Erkenntnisse aus Dubuffets Auseinandersetzung mit den Werken von Psychiatriepatienten in seine Arbeiten ein.
Schmandts Zugang ist ein anderer. Er versteht den künstlerischen Ausdruck dieser Patienten als eine Art von Hilferuf, um einem großen psychischen Druck zu entkommen, der für die extrem gemarterte Seele ohne dieses "künstlerische Ventil" in einer Katastrophe münden würde. Und es ist nach Schmandts Auffassung vor allem der Kopf, der diesen Druck auszuhalten hat. Die 15 großformatigen "Kopf"-Arbeiten Schmandts, zu denen reine Gemälde ebenso wie graphische Blätter zählen, zeigen die psychische Pein, am stärksten dort, wo Schmandt mit der Farbe spärlich umgeht und dadurch dem Bild die nackte Furcht ins entsetzte Gesicht schreibt.
Es sind existenzielle Fragen, die den "philosophischsten" unter den Mannheimer Künstlern interessieren: Was ist normal und was nicht? Wo beginnt die Abweichung von normalen seelischen Empfindungen und wo führt Druck zu Störungen, die auch die Kunst nicht zu heilen vermag, höchstens mitunter zu lindern?
Edgar Schmandt ist Jahrgang 1929 und hat die Gräuel des Krieges als Heranwachsender in Berlin erlebt. Zunächst von den Nazis gesucht - er versteckte sich über längere Zeit im Wald -, dann von den Kommunisten in Einzelhaft gehalten, bis es ihm schließlich gelang, nach Mannheim zu kommen.
Und dann, fast zehn Jahre nach seiner langsamen Integration und ersten Erfolgen in der Quadratestadt, brachte ihn 1966 die Beschuldigung eines Radioreporters anlässlich seiner Ausstellung in der Mannheimer Kunsthalle, er würde faschistische Kunst praktizieren, aus dem Gleichgewicht. Es folgten zehn Jahre künstlerische Stille ohne Pinsel. Schmandt versuchte schreibend, dieser durch kein einziges Werk gerechtfertigten Anschuldigung zu entkommen. Nach und nach konnte er an seine Erfolge anknüpfen und zu der kraftvollen Malerei und der ausgeklügelten Collagetechnik finden, in der etwa seine Blätter während seines Aufenthaltes in Cité des Arts in Paris entstanden sind. In Mannheim konnte er teilweise monumentale Arbeiten in verschiedenen Institutionen verwirklichen. Vor zwei Jahren erhielt Schmandt in Stuttgart den renommierten Erich-Heckel-Preis für sein Lebenswerk. Bis dahin wusste niemand, dass er nicht nur mit Heckel zusammen in Frankreich ausstellte, sondern dass sich die beiden Künstler auch kannten.
In nächsten Jahr wird der vitale, immer noch sehr neugierige und durch innere künstlerische Unruhe in ständiger Bewegung bleibende Edgar Schmandt 90 Jahre alt. Die "Hommage à Prinzhorn" ist nun zum ersten Mal in Heidelberg ausgestellt.
Info: "Edgar Schmandt, Hommage à Prinzhorn", Stadtbücherei Heidelberg, Poststr. 15



