Heidelberger Stückemarkt

Holle Münster inszeniert "Vereinte Nationen" von Clemens J. Setz

Der Kopf des erfolgreichen Kollektivs "Prinzip Gonzo", hat das Stück über die Leiden eines Kindes im Medienzeitalter in eine surreale Wildnis verpflanzt.

27.04.2018 UPDATE: 28.04.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 6 Sekunden
Foto: Theater Heidelberg

Von Elisabeth Maier

Heidelberg. Das Wohnzimmer der Eltern ist ein Dschungel. Die Spieler machen Sport. Es ist ein verbissener Kampf, der da in Clemens J. Setz‘ Stück "Vereinte Nationen" auf der Bühne tobt. Regisseurin Holle Münster, Kopf des erfolgreichen Kollektivs Prinzip Gonzo, hat das Stück über die Leiden eines Kindes im Medienzeitalter in eine surreale Wildnis verpflanzt. Da tobt das Recht des Stärkeren. Der Vater füttert das einsame Kind Martina mit einem Löffel. Schauspielerin Nelida Martinez zeigt das Leiden des Mädchens mit großer Überzeugungskraft.

Was die Zuschauer erst langsam begreifen: Die schreckliche Familienszene wird live mit der Kamera gefilmt. Denn die Eltern verkaufen Erziehungsvideos mit dem unglücklichen Kind für ein paar Klicks an ein Massenpublikum. Im leisen Kaufhausgedudel des Dschungelcamps wird das Kind immer weiter zerstört.

Die Produktion des Volkstheaters Wien entstand in Zusammenarbeit mit dem Max-Reinhardt-Seminar. Obwohl die Kleine im Sog des Medienspektakels gefangen ist, übernimmt die zerbrechliche, aber selbstbewusste Spielerin das Ruder. Holle Münster, die mit multimedialem Theater experimentiert, lässt die Spielerin die Handlung beschleunigen und dann wieder anhalten. So eignet sich das Opfer die Sprache der Kamera an. Dieses kleine bisschen Macht lässt Regisseurin Münster dem Mädchen, dessen Körpersprache viel verrät.

In Thea Hoffmann-Axthelms surrealem Bühnenraum ziehen die Eltern ein brutales Spiel mit dem Mädchen ab. Philipp Auer als Vater ist an Grausamkeit schwer zu überbieten. Jedes "Mäuschen" aus seinem Mund klingt wie eine Vergewaltigung. Der Titel, den Setz gewählt hat, verweist auf die brutalen Erziehungsmethoden: "Diesen Ton kannst du bei den Vereinten Nationen anschlagen, nicht bei mir!". Der Autor spielt mit den Vorstellungen der Generation Nanny, die den Schmerz der Kindheit an die Öffentlichkeit zerrt. In Münsters surrealer Regie werden die Mechanismen der Mediengesellschaft überzeugend analysiert.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.