"Drei sind wir" war fast wie ein Konzert
Wolfram Hölls experimentelles Stück erinnerte teilweise an Ernst Jandls legendäre Sprechoper "Aus der Fremde"

Nominiert für den Nachspielpreis des Heidelberger Stückemarkts: Szene aus Wolfram Hölls "Drei sind wir" mit Tino Hillebrand, Marcus Kiepe und Marie-Luise Stockinger (von links). Valerie Voigt-Firon hat das musikalisch-rhythmische Sprachexperiment im kleinen Vestibül des großen Wiener Burgtheaters inszeniert. Foto: Georg Soulek
Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Stab- und Endreime, verbale Wiederholungsschleifen und rhythmische Effekte prägen Wolfram Hölls experimentelles Stück "Drei sind wir" über ein Elternpaar, das mit seinem todkranken Kind nach Kanada reist. Im französischsprachigen Teil des Landes reflektiert es über die flüchtigen, aber sich ständig wiederholenden vier Jahreszeiten, über den Besuch der Urgroßmutter und vor allem über den Gendefekt des Sohns namens Frühling. Ihre Sätze bilden Girlanden, die zu schwingen beginnen, klare Rollenprofile gibt es nicht.
Trotzdem haben die Regisseurin Valerie Voigt-Firon und die Dramaturgin Eva-Maria Voigtländer den Text auf drei Sprecher verteilt, die mit dem Klangerlebnis Sprache zu spielen verstehen: Tino Hillebrand, Marcus Kiepe und Marie-Luise Stockinger bringen Wolfram Hölls Wortpartitur gekonnt zum Klingen.
Produziert wurde das ungewöhnliche, aber durchaus wirkungsmächtige Stück im kleinen Vestibül des großen Wiener Burgtheaters, und das Heidelberger Theater ließ es sich nicht nehmen, den Abend zum Stückemarkt einzuladen und für den Nachspielpreis zu nominieren. Der 1986 in Leipzig geborene Autor ist dem hiesigen Festival-Publikum bereits bekannt: 2012 war er erstmals hier zu Gast, bald darauf auch beim Berliner Pendant und beim Mülheimer Dramatikerwettbewerb, bei dem er zwei Mal ausgezeichnet wurde.
Valerie Voigt-Firon arbeit in ihrer Inszenierung mit verpixelten Masken, die sich die Akteure mehrfach vor die Gesichter halten, und visuellen Anspielungen auf die Frühzeit der Computerspiele. Sie huschen über die lochkartenartigen Stellwände des von Eylien König gestalteten Bühnenbilds.
Geräusche wie von knarzenden Vinyl-Platten, knisternder Bandsalat, plätscherndes Wasser im Zinkeimer oder alte Kassetten-Aufnahmen mit quäkenden Berichten über eine Amerika-Reise stehen im Kontrast zum Sprachkonzert, dessen Heidelberg-Gastspiel im Zwinger 3 aufgeführt wurde - 60 impressionistische Minuten lang.
Manches erinnerte an Ernst Jandls legendäre, aber heute überhaupt nicht mehr gespielte Sprechoper "Aus der Fremde" (1980). Sollte sich Wolfram Höll auf Jandls lyrische Urgewalt berufen, wäre dies sicher kein Fehler.



