Immer wieder im Aufbruch
Eröffnung der Literaturtage mit Heinrich Steinfest, Poetry Slam und Gästen aus Melbourne

Kam zur Eröffnung der Heidelberger Literaturtage: Heinrich Steinfest. Foto: F. Hentschel
Von Franz Schneider
Heidelberg. Doch, man könne draußen übernachten, meint einer vom Kulturamt. Es gäbe sogar Security. Einer davon kommt aus Graz und kümmert sich. Der liebevoll gebratene Burger hat geschmeckt, man blickt in den Mitternachtshimmel, hält die roten Leuchten auf dem Baukran für Sterne, nebenan räkeln sich auf den Knautschteilen halbnackte Italienerinnen. Kurz: Die Heidelberger Literaturtage wagen 2018 noch mehr Ambiente.
Davor wurde drinnen im Zelt auf dem Uniplatz wieder "aufgebrochen", und das bereits zum zweiten Mal bei den "Literaturtagen im Aufbruch". In diesem Jahr weniger heiß und besser besucht, grüßten Joachim Gerner und Andrea Edel und dankten der Klaus-Tschira-Stiftung, den Stadtwerken sowie der Volksbank, besonders aber dem "Urvater" Manfred Metzner. Nächstes Jahr werden die Literaturtage 25 Jahre alt.
Doch davor, zum Beginn vor dem Beginn, zwei wirklich schöne Lieder zur Gitarre, es zupfte Kersten Müller Kompositionen eines Freundes. Und gleich danach rüttelte Jonas Treibel auf, U 20-Meister im Poetry Slam. Er wütete gegen akademische Arroganz und schiss auf Goethe. Gejohlte Zustimmung im Publikum. Das freute sich auch auf den Gast aus der Unesco City of Literature Melbourne, David Ryding, der locker und selbstbewusst seine Stadt als intellektuelles Zentrum pries. Wir werden alle mal hinfliegen.
Danach wurde es endlich literarisch, Dauermoderatorin Claudia Kramatschek präsentierte kompetent und charmant den bereits durch die RNZ interviewten Wahlstuttgarter Heinrich Steinfest, dessen Frau in Wilhelmsfeld wohnt, darum vielleicht sein neuer Roman "Die Büglerin" auch in Heidelberg spielt. Aber eigentlich ist Heinrich Steinfest ein Wiener. Er schreibt mit Eleganz und Geschmeidigkeit über viele Zeilen hinweg. Und wir erfahren etwas von Tonia, wie es sie, die einst auf einer Yacht an der chilenischen Schwelle geboren wurde und deren Vater einst durch einen aufgefangenen alten Kater zu unverhofften Reichtum kam, nach Heidelberg verschlug. Wir hören, wie sie einen Mann kennenlernt, mit dem sie schwimmen geht, auf dem "Köpfel" natürlich, dahin, wo sich Ziegelhausen ganz hingezogen hat. Zuvor flanierten wir durch ein Meer der Einfälle, in dem Raviolidosen genauso ihren Platz haben wie ein Schriftsteller wie Malcolm Lowry. Heinrich Steinfest, die Virtuosität eines gläubigen Zweiflers.
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Jetzt fehlten nur noch zwei schöne Männer von weit her. Melbourne sei Dank, betraten Nathan Curnow und Geoffrey Williams die Bühne. Der eine ein Nick Cave-Verehrer mit hell stechendem Blick und Vater von vier Töchtern, der andere ein Soundtüftler, den die Spontaneität besonders stimuliert. Diese nämlich wird ihnen zum Prinzip, Curnow improvisiert Gedichte, Williams macht aus ihnen Klang und Rhythmus. Spontan heißt in Heidelberg Studentenküsse und der Brückenaffe, der sich nicht küssen lassen will. Dazu kam die Einsamkeit und Vertracktheit des heutigen Überlebens, Absurditäten inbegriffen - immer noch im Ohr das melancholische Geheul, das Curnow darüber an einer Stelle anstimmte. Das laut ihm noch sehr frische Projekt erfreute viele, aber irgendwann wollte man dann doch wieder raus auf die Knautschteile.