Sie streicheln die Hörnerven und kitzeln die Lachmuskeln
Nach zwei Jahren Wartezeit brachte der Heidelberger Chor sein Programm "Männerschicksale XI" auf die Bühne.

Von Peter Wiest
Ja, natürlich: Sie haben etwas zu sagen. Und klar: Sänger, die schweigen, haben nichts zu sagen. Die Männer des Heidelberger HardChors haben noch nie geschwiegen und tun es in Anbetracht der derzeitigen Lage erst recht nicht, wie ihr Sangesbruder Jürgen Vanderlaar im Prolog zu diesem lange erwarteten Konzert unmissverständlich klarmacht. Und natürlich haben sie mehr denn je nicht nur etwas zu sagen, sondern vor allem auch etwas zu singen. Ganz so, wie sie es seit mittlerweile 33 Jahren tun – zur Unterhaltung, zur Freude und immer auch zum Amüsement ihrer Zuhörer.
Dieses Mal allerdings singen sie zudem auch "für Frieden, Freiheit, Verständigung und Respekt unter allen Menschen", so der Sprecher. Und das ist gut so: unterhaltsam und hörenswert wie immer, wenn nicht sogar noch ein bisschen mehr als sonst, darüber hinaus jedoch auch ein eindeutiges und prägnantes Zeichen gegen den Krieg und die schrecklichen Geschehnisse in der Ukraine.
Gut zwei Jahre hat der HardChor um seinen Dirigenten Bernhard Bentgens pandemiebedingt gewartet auf diese Premiere seines neuen Programms "Männerschicksale XI: Das Beste liegt noch vor uns", das ursprünglich anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Chors über die Bühne gehen sollte. Als es am Samstagabend in der Heidelberger Hebelhalle endlich so weit ist, wird bereits mit dem ersten Song "Hausschweine" klar, wie sehr nicht nur die Sänger selbst, sondern auch ihr Publikum dieses Event herbeigesehnt haben.
Einmal mehr bestätigt dieser Abend: Musik und Humor bringen Menschen Freude und stärken die Hoffnung. Und das bei HardChor-Konzerten mehr denn je. So hätte der Titel des Programms nicht treffender gewählt werden können: Ja, das Beste liegt noch vor uns.
Auch interessant
Musikalisch zumindest, das darf man nach dieser Premiere getrost sagen, ist für den HardChor das Beste bereits da. Denn was die 15 Sänger und ihr Dirigent auf die Bühne zaubern, sucht seinesgleichen und ist wirklich einmalig in der regionalen Musikwelt und darüber hinaus. Wo gibt es ein Gesangsensemble, das so zu wandern versteht zwischen den musikalischen Welten, das mit federleichter gesanglicher Vielstimmigkeit sowohl aus eigenen als auch aus gecoverten Songs der unterschiedlichsten Genres völlig neue und trotzdem vertraute Werke macht und dabei nicht nur die Hörnerven im Publikum streichelt, sondern auch noch die Lachmuskeln kitzelt?
Letzteres geschieht wie stets beim HardChor vor allem mit Bernhard Bentgens’ eigenen Songs, die mit ihren raffiniert verbrämten und aus dem vollen Leben gegriffenen Texten das Publikum fast immer zum Schmunzeln und nicht selten zu lautem Lachen bringen. Dabei geht es im neuen Programm teilweise um recht intime Beziehungen zwischen Mann und Frau, bis hin zu Polygamie und der Schilderung dezidierter Bett-Erlebnisse. Nie schmuddelig allerdings, sondern stets mit Augenzwinkern: Ganz HardChor eben, aber niemals hardcore.
Über allem steht gut zwei Stunden lang immer dieser faszinierende vielstimmige Gesang, mit dem auch und gerade aus bekannten Songs und Hits eigene Versionen geschmiedet werden, wie man sie so nicht für möglich gehalten hätte. Golden Earrings "Radar Love" etwa, bei dem von den tiefen Bass-Linien bis zur Solo-Gitarre alles per Stimme perfekt wiedergegeben wird. Oder Queens "Champions", mit dem es Bernhard Bentgens gelingt, das komplette Publikum zum begeisterten Mitsingen des Refrains zu bringen. Aber auch melodiös-melancholische Hinhörer und Zurücklehner wie Billy Joels "She’s Always a Woman" oder Peter Gabriels "Mercy Street" gibt es. Alles im besten Sinne des Begriffs klanglich fein abgestimmt und perfekt zugeschnitten auf den HardChor, der tatsächlich seit 33 Jahren besteht und dessen Sänger und Dirigent fest entschlossen sind, im Jahr 2037 ihr 50-jähriges Bestehen zu feiern: Weil das Beste halt noch vor ihnen liegt.
Bei den Zugaben bieten sie schließlich noch einmal diese wunderbare Mischung aus humorvollem eigenen HardChor-Ohrwürmern, die absolut das Zeug zum Hit hätten, und wegweisenden internationalen Pop- und Rock-Songs: erst die Bentgens’schen "Fischstäbchen", dann Freddy Mercurys "Somebody to Love" zum Abschluss.



