Kammermusikakademie spielte groß auf
Kultur im Stream: Erneut bewies die Akademie, wie viel Liebe im gemeinsamen Musizieren stecken kann.

Von Simon Scherer
Heidelberg. Auch in Zeiten von Live-Streams darf beim Heidelberger Frühling eines nicht fehlen: die Kammermusikakademie. Dozent war diesmal Pianist Markus Becker, der vorab im Gespräch mit Marie König davon schwärmte, dass es schon in den Proben immer ein Musizieren auf Augenhöhe gewesen sei.
Überzeugen konnte man sich hiervon gleich zu Beginn des Abends, den er zusammen mit Klarinettist Han Kim, Julia Hagen am Cello und dem Trio op. 114 in a-Moll von Brahms eröffnete. Drei unterschiedliche Persönlichkeiten waren das, die diesem Trio ebenso viele Gesichter gaben, da sie das Werk gewissermaßen aus ihrer gegenseitigen Kommunikation heraus entstehen ließen. Jeder von ihnen verarbeitete seine eigenen Erfahrungen und fand gleichzeitig permanent ins Gespräch mit den anderen, um seine Gedanken mitzuteilen und weiterzuspinnen.
Da war das emotional aufgewühlte Cello, die für Ausgleich sorgende Klarinette als Ruhepol und die wohldurchdachte Phrasierung des Klaviers, das den Weg nach vorne ebnete. Im Adagio war dieser Trialog von nicht weniger Persönlichkeit geprägt, wo einmal mehr Kim mit seiner geschmeidigen Melodieführung faszinierte, die nicht behutsamer mit der Musik hätte umgehen können. Im Allegro war hingegen eine resolute Entschlossenheit zu spüren, wo wieder das Cello in vehementer Dringlichkeit die Richtung vorgab. In den leisesten Tönen war hier Hagens innere Rastlosigkeit zu spüren. Eine ungemein tiefgehende Interpretation war das.
In die undurchsichtigen Sphären von Debussys g-Moll-Sonate tauchten Geigerin Cosima Soulez Larivière und Pianist Philipp Scheucher mit einer stilistischen Zielsicherheit ein, die gerade für solch junge Nachwuchsmusiker außergewöhnlich ist. Besonders die Geigerin wusste ihr inhaltliches Konzept für dieses keineswegs einfache Notenmaterial mit bewundernswerter Professionalität umzusetzen. Zusammen mit der feinsinnigen Klavier-Untermalung kam man so in einen impressionistischen Hochgenuss, der einen mit dem Kern von Debussys Kompositionsstil konfrontierte.
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Mit "My Shadow" von Donghoon Shin folgte die Uraufführung des Werkes, das der Südkoreaner im Auftrag des Heidelberger Frühlings und der City of London Sinfonia geschrieben hatte. Ein sehr nachdenkliches Stück, das wie ein langsamer Gang durch die Nacht anmutet, wo man gar nicht selbst die Impulse setzt, sondern die Umgebung auf sich wirken lässt. Das konnte sehr unheimlich und schreckhaft sein. Kim, Scheucher, Hagen und Larivière wussten zusammen mit Geigerin Maria Wehrmeyer, diese Bilder überaus anschaulich in Tönen widerzuspiegeln; gen Ende meinte man gar, das Schwirren von Fledermäusen zu hören.
Eine weitere Facette dieses Abends war Schumanns Klaviertrio Nr. 3 g-Moll, in das sich Scheucher mit Hagen und Wehrmeyer genauso souverän eingefunden hatte wie zuvor noch in Debussy. Ergoss man sich im 2. Satz zunächst ausgiebig im Klagegesang, wurden alsbald richtige Kämpfe untereinander ausgetragen, energisch und unbarmherzig, zum Schluss jedoch umso versöhnlicher. Jede Faser des Scherzos wussten die Musiker mit Leben auszufüllen, bevor sie im Finale in einen Freuden-Rausch gerieten, der ihrem Enthusiasmus keine Grenzen setzte. Erneut bewies die Kammermusikakademie, wie viel Liebe im gemeinsamen Musizieren doch stecken kann.
Info: Das Konzert gibt es auf fruehling25.de



