Ungewöhnlicher dreiteiliger Tanzabend in der Hebelhalle
Es geht auch ohne Choreograf - Deutsch-brasilianisches Tanzprojekt mit dem Balé Teatro Guaíra

Die brasilianischen Tänzer zeigten eindrucksvoll ihr Können. Foto: zg
Von Isabelle von Neumann-Cosel
Heidelberg. Ohne Internationalität geht auf der Tanzbühne gar nichts. Einer, der sich besonders gut aufs weltweite Netzwerken im Tanz versteht, ist der Stuttgarter Marcello Santos, Macher des Internationalen Solo-Tanztheater-Festivals. Er half mit, eine besondere Form von Kulturaustausch auf den Weg zu bringen: Drei deutsche Choreografen, allesamt mit persönlichem Zug zum Stuttgarter Kult-Festival, erarbeiteten jeder ein Stück mit den Tänzern des Balé Teatro Guaíra - einem der wichtigsten zeitgenössischen Tanzensembles in Brasilien. Entstanden ist ein ungewöhnlicher dreiteiliger Tanzabend, der im Rahmen einer Deutschlandtournee in der Heidelberger Hebelhalle Station machte.
Als Titel des Dreiteilers fungieren schlicht die Namen der Choreografen "Wachter - Winkler - Scarfati", die entsprechend unterschiedliche künstlerische Kost für die insgesamt zehn famosen brasilianischen Tänzer zubereitet hatten. Katja Wachter ist die jüngste im choreografischen Bund und beschäftigte sich in ihrer Arbeit "I share" mit der aktuellen Mode des "Teilens", speziell in den sozialen Netzwerken. Dass sie dem allgegenwärtigen Trend höchst kritisch gegenübersteht, zeigen schon die ersten Szenen, wo nicht nur Bewegungsabläufe geteilt werden, sondern auch ein gebrauchtes Taschentuch oder Kaugummi. Egal, wichtig sind die Zahlen der Follower und die aktuellen Likes. Erschreckend und entlarvend, was die Tänzer da auf der Bühne für den erhobenen Daumen - Symbol für das "Liken"- so alles tun.
Man kann natürlich auch das Choreografieren teilen, denn die Rollenaufteilung zwischen Choreograf und Tänzern ist im zeitgenössischen Tanz ganz schön aus den Fugen geraten. Faust-Preisträger (2015) Christoph Winkler behauptet augenzwinkernd "lost my choreographer on the way to the dressing room". Was dann? Die Tänzer müssen selber ran und entwickeln jede Menge artifizielles, individuelles Bewegungsmaterial. Es gibt buchstäblich viel zu tun für jeden Einzelnen auf der Bühne, bis sich tänzerische Gemeinsamkeit entwickelt - wie so oft im zeitgenössischen Tanz vorangetriebenen von pulsierendem Techno-Sound.
Einen sogenannten "Rausschmeißer" zum Abschluss choreografierte der frühere Ulmer Tanzchef Roberto Scarfati. Routiniert, aber eben auch mit den entsprechenden Klischees in den Geschlechterrollen untersuchte er das Phänomen "Charme" in vielfältigen Begegnungen auf der Bühne.



