Tutu Toulouse brachten "gesägnete" Weihnacht in den Karlstorbahnhof
Ein frohes Fest, an dem wenig gelacht wurde

Der Heidelberger Karlstorbahnhof in der Heidelberger Altstadt. Archivfoto: Hoppe
Von Franz Schneider
Heidelberg. Nur der Christbaum fehlte, glich doch das Publikum im Karlstorbahnhof einer großen Familie in freudiger Erwartung der Bescherung, die Atmosphäre mit Lichtlein heimelig gestimmt. Tutu Toulouse schlich in deren Schein auf die Bühne und zugleich ward Vorsicht geboten: denn "gesägnete" und nicht "gesegnete" Weihnacht hatten sie angedroht. Das Feierliche traf auf das Boshafte. Was natürlich an den Erfahrungen eines jeden Einzelnen rührt, die einer womöglich gerade unmittelbar durchlebt und durchlitten hat. Weihnachten ist nun einmal ein frohes Fest, bei dem bisweilen wenig gelacht wird, dafür statistisch gesehen nicht nur der Alkoholkonsum besonders hoch ist, da man mit Menschen gefeiert hat, die man nicht unbedingt mag, aber zu denen man gehört.
Also alles eine Steilvorlage für ein Quartett aus zwei Damen und Herren, das sich mit Text und Gesang, Gitarre und Kontrabass im gepflegten Milieu dem leicht ungepflegten verschrieben hat. Tutu Toulouse sind immer noch der stimmgewaltige Norddeutsche Matthias Paul, die so freche wie zarte Tina Kuka, der fingerflinke Oliver Kuka sowie die tiefgründige Dorothee Grubert. Ihr "gesägnetes" Weihnachtsprogramm präsentierte sich als Melange aus Literatur und Verballhornung, dem festlichen Anlass entsprechend nicht zu sehr schwarzhumorig, eher ein elegantes Anthrazit. Das liegt auch an der unbestreitbar sentimentalen Schönheit der Weihnachtsoriginaltexte eines Charles Dickens oder Theodor Storm, dazu das wunderbare russische Märchen von der Glocke, die zu tausend Glöckchen zerfiel.
Da es dann doch zu sehr bimmelt, geht Matthias Paul des Öfteren vor dem Publikum in die Knie, gibt die Erlebnisse des humorgesättigten US-Schriftstellers David Sedaris zum Besten, als dieser einst als Weihnachtszwerg in einem riesigen Kaufhaus arbeitete und sich mit den Kunden abquälte. Selbstverständlich erklingt dazu Randy Newmans ewig großartiges Schmählied "Short People", dezidiert Kleinwüchsige waren im Publikum nicht zugegen. Wie ökologisch man im Karlstorbahnhof an diesem Nachweihnachtsabend orientiert war, wurde auch nicht recht deutlich, zumindest erregte die nachhaltige Krippe Modell "Weststadt" Heiterkeit.
Aber eigentlich ist es bei Tutu Toulouse am schönsten, wenn die Musik erklingt, wenn Tina Kuka im Goldkleid den "Angel" von Jimi Hendrix dahinhaucht, dass einem die Flügelchen wachsen. Dann schmunzelt man auch, wenn Barry Manilows "Mandy" zum rauscherzeugenden Brandy wird und erträgt gar den schon im Original kaum auszuhaltenden vorausfahrenden Wagen eines Henry Valentino, der an Weihnachten zu einem sexuell bedrängten Rentier wird.
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Der Applaus im Karlstorbahnhof glich einem Segen. Wir freuen uns auf das Osterprogramm.