Heidelberg

Josef Forsters Selbstporträt in der Sammlung Prinzhorn

Zum Internationalen Museumstag am 17. Mai - Auch Kunst trägt Maske

15.05.2020 UPDATE: 17.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 4 Sekunden
Diese Arbeit Josef Forsters diente als Vorlage für das Logo der Sammlung Prinzhorn. Aus Anlass des Internationalen Museumstages an diesem Sonntag stellt der Direktor der Sammlung das Kunstwerk vor. Am 27. Mai wird das Museum wiedereröffnet. Foto: Sammlung Prinzhorn

Von Thomas Röske

Heidelberg. Ein Mann geht schwebend durch die Luft, mit dem weit entfernten Erdboden nur verbunden durch zwei Stöcke, die Klumpen am unteren Ende tragen. Über Mund und Nase hat er ein blaues Tuch gebunden. Damit erscheint dieser "Luftgänger" der Sammlung Prinzhorn, obwohl er zwischen 1916 und 1920 gemalt wurde, heute besonders aktuell.

Aus Erläuterungen des Künstlers wissen wir, dass an seiner Figur tatsächlich zwei prekäre Körperöffnungen verschlossen werden sollen, allerdings nicht, weil sonst Viren aus- oder eintreten könnten, sondern weil die Unterbrechung des "Honig-Schleim-Ringes" drohe, eines permanenten Stroms innerer Flüssigkeit, die mal als Sperma, mal als Rückenmarksflüssigkeit, mal als Nasenschleim bezeichnet werde. Bei Aufrechterhalten dieses ringförmigen Stroms werde man Meister in allen Künsten und so leicht, dass man "mit großer Geschwindigkeit durch die Luft gehen" könne, wie die Aufschrift des Bildes verrät, allerdings nur, wenn man sich vorher "mit Gewicht beschwer[t]" habe.

Der "Mann ohne Schwerkraft" des Tapezierers und Dekorationsmalers Josef Forster (1878–1949) aus der Anstalt Regensburg, dessen eigensinnige Philosophie des "Edelmenschentums" so originell war, dass die Ärzte den Patienten sogar zu einem Vortrag an die Psychiatrie in München schickten, ist seit Eröffnung des Museums Sammlung Prinzhorn 2001 dessen Logo. Denn die Darstellung lässt sich auch als Allegorie auf die bildende Kunst selbst lesen: Sie entsteht, wenn die freie Fantasie, die für sich allein zu entschweben droht, materiell geerdet wird.

In schwarzer Silhouette begleitet Forsters Figur regelmäßig den Schriftzug dieser besonderen Heidelberger Kultureinrichtung am Universitätsklinikum, und seit zwei Jahren steht das über drei Meter große Forster-Logo in Edelstahl auf dem Rasen vor dem Museum. Skulptur, Ausstellungsplakate und Posts im Internet waren über Monate das Einzige, was von der Sammlung Prinzhorn zu sehen war, und schon vorher, seit September, war sie geschlossen wegen Umbaus einiger Flächen zu Räumen für eine Dauerausstellung.

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Nun aber, nach fast neun Monaten, eröffnet sie wieder, am 27. Mai, und zwar mit der Sonderausstellung ",Ein mehrfacher Millionenwert‘ – fragile Schätze der Sammlung Prinzhorn" mit besonders empfindlichen Werken aus dem Fundus, die nicht mehr verliehen und auch in Heidelberg nur noch sehr selten ausgestellt werden. Zudem ist voraussichtlich Ende Mai/Anfang Juni auch erstmals eine Dauerausstellung zu sehen, in der wichtige Werke der Sammlung unter Themen gruppiert sind: "Geschichte der Psychiatrie in Deutschland", "Alltag in der Anstalt um 1900", "Das stete Wachsen der Sammlung Prinzhorn" und "Kreativität und Psychiatrieerfahrung". Hier begegnet man auch Forsters "Luftgänger" wieder.

Der Eingangsbereich des Museums hat sich ebenfalls verändert, durch eine Zeittafel zur Geschichte der Sammlung Prinzhorn und ein Leitbild, aber auch durch zusätzliche Erläuterungen zu den Skulpturen Karl Genzels (1871–1925) im Tiefparterre. Mit diesen Erweiterungen, die nur durch die Unterstützung des Landes Baden-Württemberg, der Stadt Heidelberg, der H+G Bank sowie der Schaller-Nikolich Stiftung möglich waren, steht das Haus nun das ganze Jahr Besuchern offen und muss nicht mehr zwischen den Wechselausstellungen schließen wie bisher.

Allerdings gelten wegen der Corona-Pandemie für die nächsten Monate wie an anderen Museen des Landes noch Einschränkungen. Die Öffnungszeiten sind reduziert und zugelassen sind nur jeweils acht Besucher. Um Wartezeiten außerhalb des Museums zu vermeiden, wird um Voranmeldung über Email oder Telefon gebeten. Vor allem aber sollten sich die Besucher Josef Forsters "Luft-Geher" zum Vorbild nehmen und Maske tragen.

Info: Der Autor dieses Beitrags ist Direktor der Heidelberger Sammlung Prinzhorn.

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