Heidelberg

Holger Schultzes Theater spielt ganz weit oben in der Bühnen-Bundesliga

Das Heidelberger Theater wurde zu Festivals nach Mülheim, Recklinghausen, Bensheim, Marburg und Berlin eingeladen.

01.04.2023 UPDATE: 01.04.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden
Eingeladen zu den Mülheimer Theatertagen: Szene aus der Heidelberger Inszenierung von Roland Schimmelpfennigs „Märchen von der kleinen Meerjungfrau“ frei nach Hans Christian Andersen. Leon Wieferich, Maren Kraus und Timo Jander (von links) sind mit von der Partie.

Von Volker Oesterreich

Heidelberg. Erfolg zeigt sich im Kulturbereich auf vielerlei Weise: durch lautstarken Applaus bis hin zu stehenden Ovationen, durch lange im Voraus ausverkaufte Säle, durch Preisverleihungen an herausragende Künstlerinnen und Künstler und durch Festival-Einladungen.

Über Letztere kann sich gerade das Heidelberger Theater freuen: "Wir wurden mit vier Produktionen zu fünf Festivals eingeladen", freut sich Heidelbergs Intendant Holger Schultze, "das ist der reinste Wahnsinn". In der Vergangenheit habe es noch nie eine so prestigeträchtige Häufung gegeben. Schultze sieht sich deshalb "ganz weit oben in der Bundesliga der Bühnenkunst". Auslöser dafür sei vor allem das Heidelberger "Remmidemmi"-Festival im vergangenen Herbst gewesen. Das Theater hatte dazu Auftragsarbeiten zum Thema Widerstand an junge Dramatikerinnen und Dramatiker vergeben, "um sie aus der Corona-Schockstarre zu holen". Viele freie Künstlerinnen und Künstler hatten darunter wegen ausbleibender Engagements oder Aufträge zu leiden, aber mit "Remmidemmi" bot sich ihnen ein ideales Gegengift. Hier ein Überblick über die Einladungen:

> "Das Märchen von der kleinen Meerjungfrau": Unter diesem Titel hat Roland Schimmelpfennig ein so poetisches wie spielerisches Hans-Christian-Andersen-Update fürs "Remmidemmi"-Festival geschrieben. Inszeniert wurde es von Marcel Kohler, der seine Akteure auf witzige Weise mit Wassereimern hantieren lässt. Die Fluchtthematik und die Macht der Fantasie stehen im Vordergrund. Sowohl die Ruhrfestspiele Recklinghausen (23./24. Mai) als auch die Mülheimer Theatertage (25./26. Mai) schmücken sich mit dem Unterwasser-Spektakel. Für das Heidelberger Ensemble ist es nach 2018 – damals mit "Beben"– die zweite Einladung nach Mülheim.

> "Das Stillleben", geschrieben von Caren Jeß, entführt die Besucher voller Witz in die Gedankenwelt junger Kunsthistoriker, die sich an der Biedermeier-Zeit abarbeiten. Sogar Fußnoten werden dabei zum Leben erweckt, während ein gerahmter Schauspieler lange Zeit wie eingefroren wirkt: Tableau vivant nennen Theaterexperten solche Darstellungen. Im konkreten Fall verharrt das Heidelberger Ensemblemitglied Hendrik Richter lange in seinem vergoldeten Rahmen, bevor er urplötzlich aus seiner Rolle fällt. Wie das geschieht, das muss man einfach gesehen haben, denn das von Tugsal Mogul inszenierte "Stillleben" zählte zu den Höhepunkten von "Remmidemmi". Am 8. und 9. Mai wird die kleine, aber wortgewandte Wissenschaftssatire dem Publikum der vom Deutschen Theater Berlin ausgerichteten "Autor:innentheatertage" präsentiert – ein Festival, das neben dem Heidelberger Stückemarkt und den Mülheimer Theatertagen zu den wichtigsten Foren zeitgenössischer Dramatik gehört. Umso mehr gilt dies seit diesem Frühjahr, da das Berliner Theatertreffen seinen seit vielen Jahren laufenden Stückemarkt unverständlicherweise abgewürgt hat. Ein Affront für die schreibende und spielende Zunft!

> "Das Licht der Welt" von Raphaela Bardutzky (Regie: Daniela Löffner) thematisiert den Kampf von Klimaaktivisten gegen die Braunkohle-Förderung. Bei den "Remmidemmi"-Touren im Herbst endeten die jeweils unterschiedlich zugeschnitten Theaterparcours genau bei dieser Produktion im Marguerre-Saal. Inszenatorisch war sie die aufwändigste des Widerstands-Spektakels, künstlerisch rangierte sie eher im Mittelfeld. Als das Bardutzky-Stück uraufgeführt wurde, tobten gerade die Auseinandersetzungen um das Klima-Camp von Lützerath. Auf Einladung der Akademie für Schauspielkunst wurde die Regiearbeit bereits Anfang März in Bensheim gezeigt.

> "saufen fechten heidelberg", eine Performance über studentische Verbindungen und Burschenschaften, stand vor wenigen Tagen auf der Agenda des Kuss-Festivals am Hessischen Landestheater Marburg. Urheber ist das Instituts für Kontrolle und Exzess, hinter dem sich das Autoren-Quintett Ida Feldmann, Naomi Kean, Goldie Röll, Finn Tubbe und Leon Wieferich verbirgt. Für ihr Projekt haben sie direkt im Milieu recherchiert. Entstanden ist es bereits vor dem "Remmidemmi"-Festival. Seit der Premiere sind so gut wie alle Vorstellungen ausverkauft.

Info: "Das Stillleben" und "saufen fechten heidelberg" stehen weiterhin auf dem Spielplan des Heidelberger Theaters: "Das Stillleben" am 21., 23. und 24. April jeweils um 19 Uhr im Völkerkundemuseum; "saufen fechten heidelberg" am heutigen Samstag sowie am 21., 22. und 30. April jeweils um 20 Uhr im Amtsstübl des Vereins Alt-Heidelberg – www.theaterheidelberg.de

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.