Herrlich skurrile "Liebe zu den drei Orangen"
Sergej Prokofjews Theaterspiel wird im Marguerre-Saal des Heidelberger Theaters aufgeführt.

Von Nike Luber
Heidelberg. Was für ein Theater! Die einen wollen Tragödien, die anderen rufen nach Komödien, die Frauen wollen eine Liebesgeschichte sehen, und das Publikum der Heidelberger Oper sitzt mittendrin. Um die von den Mitgliedern des Heidelberger Opernchors lautstark geforderten Wünsche umzusetzen, kann natürlich nur etwas völlig Skurriles herauskommen: "Die Liebe zu den drei Orangen". Sergej Prokofjew hat nach dem Ersten Weltkrieg das Stück vertont, das auf ein italienisches Märchenspiel aus dem 18. Jahrhundert zurückgeht, aber um zahlreiche Elemente der Avantgarde vom Beginn des 20. Jahrhundert angereichert wurde.
Guillermo Amaya fing in seiner kurzweiligen Inszenierung geschickt die verschiedenen Ebenen ein. Die märchenhafte Handlung spielt auf dem Rummelplatz. Dessen Besitzer, also der König, hat ein Problem mit der nächsten Generation. Die liegt in Gestalt seines Sohnes im Bett und verweigert sich komplett. Nichts, was auf dem Jahrmarkt stattfindet, interessiert oder amüsiert ihn. Zugleich ist das aber das Stück, das für die vom Opernchor so herrlich dargestellten Verfechter von Tragödie, Komödie, Liebesgeschichte und modernes Theater aufgeführt wird.
Die Gruppe der Opernfans, erkennbar an Frack und Fummel – letzterer wird übrigens genderübergreifend von Männern getragen – geht so sehr mit der Handlung mit, dass sie immer wieder eingreift. Der satirische Charakter der "Liebe zu den drei Orangen" kommt nicht zu kurz. Auf der Drehbühne kreiselt die Gruppe der Ärzte herein, klischeehaft arrangiert mit Lehr-Skelett und Röntgenbildern, die in mechanischem Staccato ihre Diagnose abgibt: Der Prinz sei "ganz unheilbar". Zeit für die Figuren aus der Commedia dell’arte, die an den Ursprung des Stückes erinnern, tätig zu werden. William Desbiens vom Opernstudio Macarade der Opera Florenz hat die Haltung und die Gesten des Pantalone perfekt parat. Er spielt zugleich den Wind, Farfarello, erfrischend skrupellos. Pantalones Helfer, der Gaukler Truffaldino, wird von Joao Terleira umwerfend lebhaft verkörpert. Truffaldinos Zappeligkeit ist ein schöner Kontrapunkt zum schläfrigen Prinzen, der erst durch den Sturz von Fata Morgana aus seinem Lebensüberdruss gerissen wird.
Fata Morgana, von Katrin Kapplusch als herrlich fiese Hexe dargestellt, hilft den Bösen. Minister Leander, den Ipca Ramanovic als androgynen Finsterling mit Perlenkette gibt, und des Königs Nichte Clarisse, von Vera Semieniuk höchst amüsant als Herrenreiterin mit Dominaneigung gezeichnet, wollen den Prinz ausschalten und das Business selbst übernehmen. Doch da haben sie die Rechnung ohne den Magier Tschelio gemacht. Wilfried Staber gibt diese wohlmeinende, wenn auch zaubertechnisch eher erfolglose Figur sehr sympathisch. In dem ganzen Hin und Her zwischen den Guten und Bösen tappt Winfrid Mikus als Prinz traumwandlerisch ins Reich der schrecklichen Köchin, um die drei Orangen zu finden.
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Mikus‘ Prinz ist eine erheiternde Studie typisch pubertären Verhaltens. James Hohmann läuft als Köchin zu komödiantischer Hochform auf, während er als König staatstragend klangvoll klagt und schließlich die Hochzeit mit der Falschen verfügt. Immer wieder müssen die Opernfans in die Handlung eingreifen, damit wenigstens die letzte Orange gerettet wird und das Stück noch ins Happy End einmündet, möglichst ohne Todesstrafe. Ralph Zeger hat ein witziges, schnell wandelbares Bühnenbild für diese turbulente Oper geschaffen. Vielfältig und bunt sind ja derzeit gern verwendete Begriffe, auf die Kostüme von Nina Lepilina treffen sie zu. Jede Figur ist sofort erkennbar, insgesamt ergibt sich ein fantasievoller, farbenprächtiger Eindruck.
Den ganz eigenen Tonfall der Musik treffen die Solisten, Chormitglieder und das Orchester unter der Leitung von Elias Grandy absolut überzeugend. Viel rasches Parlando, überzogene Klagen, übertriebene Wiederholungen, verschwörerisches Raunen, kurz, sehr viel Komik in den Soli und Chorsätzen, dazu der sehr farbenreiche, plakativ gespielte Orchestersatz. "Die Liebe zu den drei Orangen" ist bestes Opernvergnügen.



