Der ewige Rebell
Hannes Wader begeht seinen heutigen 80. Geburtstag mit einem neuen Album. Seine Erkenntnis: Alles ändert sich, nur Marx behält recht.

Von Klaus Welzel
Den Blick starr nach vorne gerichtet, die Augen klar, die Gesichtszüge markant – so präsentiert sich Hannes Wader schon in den 60ern. Als junger Mann, Rebell, als überzeugter Marxist und DKP-Mitglied. Und obwohl seine Lieder einzige Klage sind gegen die kapitalistischen Verhältnisse, steckt da auch ein Lächeln unter dem schon lange grauen Bart.
"Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort" – das Lied hat Generationen von Lagerfeuerbarden begleitet. Leicht depressiv, obwohl es heißt, der Sänger beklage sich nicht, sei eben immer auf der Reise. Ein Text, der die Veränderung lobt. Zu seinem 70. Geburtstag regte sich Wader im RNZ-Interview darüber auf, dass ein rechtsradikaler Liedermacher den Song coverte, ihn also umdeutete. Und der Urheber konnte nichts dagegen machen, als selbst zu singen. Immer wieder eröffnete er damit seine Konzerte – bis zum 75. Dann war Schluss.
Heute steht der nächste "Runde" an. Wader meldet sich mit einer Sammlung von Liedern, die er doppeldeutig "Noch hier – Was ich noch singen wollte" betitelt. Natürlich fehlt dem gebürtigen Ostwestfalen das ständige Touren, denn live entwickelte er alle früheren Songs. Los ging es 1966 auf Burg Waldeck. Die Geburt des wohl talentiertesten deutschen Liedermachers. Jetzt schreibt er im stillen Kämmerlein: "Mir fehlt nicht nur der Applaus. Denn als Korrektiv neu entstehender Lieder sind die direkten Publikumsreaktionen unersetzbar."
Was man den 16 Songs absolut nicht anhört, die mit Gedichten von Hölderlin umrahmt werden. Der perfekte Sound entstand in einem Klosterkeller in Nordholm, die Akkordeonistin Lydie Auvray, der Cellist Martin Bärenz und der Gitarrist Nils Tuxen sorgen für einen warmen Sound, der das Chansonhafte an Waders Kompositionen hervorhebt. Einer der Höhepunkte: das Duett mit Reinhard Mey, "Le Temps des Cerises" ("Die Zeit der Kirschen"). Selten klang der Klassiker so dicht und voller Harmonie.
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Freilich finden sich auch in Waders Spätwerk kaum freudige Momente. Carl Valentin zitierend, zeigt er sich verbittert über das Scheitern des Sozialismus: "Die Zukunft war früher auch besser." Es beschäftige ihn, "was ich im Leben alles versaut habe". Noch immer hängt er – trotz aller Enttäuschungen – der Utopie des Marxismus nach. Entdeckt in den bald 200 Jahre alten Schriften Philosophisches: "Wie konnte Marx damals schon wissen, dass wir Heutigen bald nur noch Anhängsel – beziehungsweise Wurmfortsätze – der von uns selbst erschaffenen Künstlichen Intelligenz sein werden?" Der Befund sei "beängstigend".
Beim Geburtstagsinterview vor zehn Jahren gewährte Wader einen Einblick in sein Familienleben. Die Angehörigen seien sauer, weil er nicht Maurer, sondern Sänger geworden sei. Er lebe als Entwurzelter des Landproletariats. Damals feierte Wader das Wiegenfest gemeinsam mit seiner Frau und Rotwein in Frankreich. Und heute? Kein Kommentar.
"Heute hier, morgen dort" wurde 1972 veröffentlicht – am Ende bekannte der ewige Rebell: "So vergeht Jahr um Jahr / und es ist mir längst klar / Dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war."