"Musik ist das Gegenteil von Krieg"
Tania Giannouli und Nik Bärtsch beweisen bei Enjoy Jazz ihr Können.

Von Klaus Welzel
Ludwigshafen. Ist das jetzt improvisiert? Oder komponiert? Gerade haben sich Tania Giannouli und Nik Bärtsch 15 Minuten lang durch eine äußerst frei klingende Komposition gehangelt, da beenden sie den Klangmarathon mit einem synchronen Tastenschlag. Jeder auf dem eigenen Flügel. Tosender Applaus. Nicht erst nach gut einer Stunde, als das kompakte Konzert im Gesellschaftshaus der BASF schon wieder beendet ist. Sondern nach jedem Titel.
Der sympathische Schweizer Bärtsch und die nicht minder sympathische gebürtige Athenerin Giannouli sind beide Grenzgänger des Jazz, die nicht nur das Genre weit austesten, sondern auch ihren Instrumenten die ungewöhnlichsten Töne entlocken. "Schauen Sie ruhig nachher in unsere Pianos", fordert Bärtsch das im Viereck um die Bühne sitzende Publikum auf. Wer dem nachkam, staunte im Anschluss über rote Bänder, die die Saiten verkleben, über alles mögliche Schlag- und Streichwerk – und kann sich dann immer noch nicht erklären, wie es möglich ist, dass ein Flügel wie eine Harfe klingt, wie ein Synthesizer, eine Flöte, ein Glockenspiel. Und – nun ja –, das war dann doch leicht nachvollziehbar: wie ein Perkussionsinstrument. Denn geklopft wurde ordentlich.
Den kurzweiligen Abend haben die beiden "Artists in Residence" des Enjoy Jazz Festivals 2022 im April gemeinsam in Zürich "ausgeheckt", wie Bärtsch scherzt. Meist bildet er die Klangstruktur ab, schafft also den Grundrhythmus. Tania Giannouli improvisiert darüber; erst gegen Ende des Konzerts tauschen beide die Rollen. Die ausgetüftelten Kompositionen werden nach und nach aufgebaut (was bei anderen Konzerten von Bärtsch auch mal 40 Minuten dauern kann). In Ludwigshafen sorgt jedoch Giannouli für eine gewisse Konzentriertheit auf den Kern. Und der lässt sich für Bärtsch in einem Satz zusammenfassen: "Musik ist das Gegenteil von Krieg. Hier wird etwas aufgebaut und nicht zerstört." Nicht einmal das malträtierte Instrument. Natürlich nicht.
Das Konzept funktioniert so gut, dass sich die Stars am Schluss fast schüchtern, Hand in Hand, beim Publikum bedanken, das bereit war, diesen nicht unkomplizierten Weg mit ihnen mitzugehen. Und noch einen Dank gibt es. Tania Giannouli würdigt Enjoy-Jazz-Intendant Rainer Kern für das Vertrauen, das er in sie, in Bärtsch, in all die Künstler setzt und ihnen Freiheit gewährt. Damit war auch das Festivalmotto gut umrissen: "Trust". Vertrauen als Basis für eine freie Kunst. Großartig. Stehende Ovationen.