Plus Buchrezension

Ein ganz normales Weihnachtschaos

Aylin Atmaca nimmt das Fest der Liebe mit ihrem Buch "Ein Alman feiert selten allein" auf die Schippe.

08.12.2022 UPDATE: 08.12.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 50 Sekunden
Aylin Atmacas. Foto: Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH

Von Ingeborg Salomon

Heidelberg. Kaum jemand kommt drum rum: Gans oder Wiener Würstchen? Zu deinen Eltern oder zu meinen? Geschenke, ja oder nein? Diese Fragen und mehr wollen entschieden sein, wenn Weihnachten naht. Es braucht Fingerspitzengefühl und eine ganze Portion Coolness, um das Fest der Liebe unbeschadet zu erreichen und durchzustehen. Noch komplizierter wird die fragile Gemengelage, wenn ein Lieblingsmensch neu in die Familie eingeführt werden soll, und dieser noch dazu einen Migrationshintergrund hat. Aylin Atmaca nimmt in "Ein Alman feiert selten allein" das deutsche Weihnachtschaos unter die Lupe – aus Sicht der 25-jährigen Elif. Die Tochter türkischer Gastarbeiter will erstmals mit ihrem Freund Jonas Weihnachten bei dessen Eltern feiern. Da gilt es gut zu planen, um Fettnäpfchen zu umgehen. Was nicht ganz gelingt und die Liebe des jungen Paares einigen Prüfungen unterzieht.

Aylin Atmaca weiß, wovon sie schreibt. Sie wurde 1985 als Kind türkischer Einwanderer in Heidelberg geboren und wuchs in einer badischen Kleinstadt auf; heute lebt sie mit Familie und Hund bei Mannheim, wo sie als Übersetzerin und Texterin arbeitet. Ihr erster Roman ist inspiriert von eigenen Erlebnissen. Auf 192 Seiten fehlt kein Klischee, und der weihnachtskundige Leser ahnt meist schon im Vorfeld, was unterm Tannenbaum bald schiefgehen wird. Das könnte abgeschmackt sein, wenn die Autorin ihre persönliche Weihnachtsgeschichte nicht in einem so fröhlichen Plauderton erzählen würde. Das macht Spaß, auch wenn man das Buch nicht allzu ernst nehmen sollte: So geballt wie bei den Neubauers treten schrullige Charaktere meist nicht auf. Vom rassistischen Onkel bis zur bösartigen Schwester samt Geschenke-geilem Nachwuchs ist alles vertreten, was Familie so hergibt. Da ist Culture Clash angesagt, auch wenn Elif in Deutschland aufgewachsen ist.

Jonas’ Mama startet schon im September eine WhatsApp-Gruppe, weil sie "ein bisschen planen möchte". Die Themen reichen von Geschenken bis Essen, und die ganze Großfamilie chattet, was das Zeug hält. Dass das keine Garantie für ein friedliches Fest ist, merken dann alle, als sie unterm Tannenbaum aufeinandertreffen. Auch die Beziehung des Paares hält dem Weihnachtszauber nicht ganz stand: Je länger das Fest der Liebe andauert, umso fremder empfindet Elif ihren Jonas: "Er benimmt sich, seitdem wir hier in seinem Elternhaus sind, wie ein kopfloser Teenager. Und jede Stunde in diesem Haus geht gefühlt ein Lebensjahr flöten." Jonas mutiert zurück zum folgsamen Sohn, der es allen Recht machen will, und auch Elif ist um einen guten Eindruck bemüht. Das führt zu Zoff; doch da das Buch ein Weihnachtsmärchen ist, wird am Ende alles gut.

"Ein Alman feiert selten allein" ist eine witzige Geschichte, vollgepackt mit wahren Klischees, amüsanten Vorurteilen und einer Prise Wahrheit. Als unterhaltsame Lektüre vor den Feiertagen ist das Buch sehr zu empfehlen und auch als nettes Geschenk. Dann aber bitte nicht einpacken, sonst muss das Geschenkpapier wie im Roman gebügelt werden fürs nächste Jahr. Schließlich feiern die Neubauers in Schwaben ...

Info: Aylin Atmaca: "Ein Alman feiert selten allein". HarperCollins, 2022, 192 Seiten, 16 Euro.

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