"Wir Schotten sind es gewohnt, die Underdogs zu sein"
EM-Song, neues Album, Tour: Obwohl bei Amy Macdonald gerade viel los ist, blickt sie entspannt auf ihr Leben.

Von Steffen Rüth
"Is This What You’ve Been Waiting For?" heißt das sechste Studioalbum der musikalisch wie menschlich zupackend-direkten und nahbaren Amy Macdonald. Auch die neuen Songs der Poprockerin aus Glasgow gehen geradeaus nach vorne und bieten aufmunternd gute Unterhaltung. Steffen Rüth hat sich mit ihr unterhalten.
Amy, "Is This What You’ve Been Waiting For?" ist der offizielle ARD-Song zur Fußballeuropameisterschaft in der Schweiz. Dabei haben sich die Schottinnen gar nicht für das Turnier qualifiziert.
Amy Macdonald: Das stimmt, aber Schottland scheitert ja häufig in der Qualifikation. Von daher bin ich das gewohnt und freue mich eher, wenn sie es mal packen, so wie im vergangenen Jahr bei der Männer-EM. Ich fiebere dem Wettbewerb trotzdem entgegen, das wird bestimmt toll.
Und dein Lied ist mittendrin.
Eben. Vielleicht motiviert es ja die eine oder andere dieser unglaublich athletischen und großartigen Frauen noch ein ganz kleines bisschen zusätzlich (lacht). Die Verbindung zwischen meinem Song und dem Turnier ist für mich natürlich ein riesiges Geschenk, und ich bin der ARD sehr dankbar, dass sie sich für mich entschieden hat.
Wem drückst du denn nun besonders die Daumen?
Da habe ich mich noch nicht entschieden. Immer, wenn Schottland nicht mitspielt, warte ich den Beginn eines Turniers ab, und so nach ein, zwei Spieltagen kristallisiert sich raus, welches Team ich anfeuere.
Letztes Jahr warst du bei der EM in Deutschland dabei, oder?
Oh ja, ich war mit tausenden von anderen Schottinnen und Schotten in München, zum Spiel gegen Deutschland. Das war richtig toll. Wir haben die ganze Stadt eingenommen. Ich war lange nicht mehr so stolz, Schottin zu sein.
"Is This What You’ve Been Waiting For?" ist ein Song, der vor Kraft und Energie strotzt. Wovon handelt er?
Von dem einzigartigen und durch nichts zu toppendem Gefühl, auf der Bühne zu stehen und die Menschen mit deiner Musik mitzureißen. Im Grunde ist es der ultimative Motivationssong, wie gemacht für sportliche und andere Großereignisse. Allerdings habe ich ihn nicht mit der EM im Hinterkopf geschrieben, das hat sich erst später ergeben.
Du wirst in diesem Sommer sehr viel live spielen. Ist die Vorbereitung auf eine Tour vergleichbar mit dem Trainingslager der Fußballerinnen?
Wenn du nicht willst, dass dir in den zwei Stunden dort oben die Puste ausgeht, dann musst du vorher was tun, klare Sache. Ich nehme das inzwischen auch ernst. Als ich noch jünger war, habe ich überhaupt nichts für die Kondition und die Power gemacht, im Laufe einer langen Tour wurde es dann echt haarig.
Du warst einige Jahre lang eher nicht so präsent. Hast du dein eigenes, hartverdientes Geld unter die Leute gebracht?
Ich bin Schottin! Wir passen auf unser Geld auf. Früher habe ich coole Autos gesammelt, aber das ist nicht mehr so eine Leidenschaft von mir. Ich habe mich einfach ein bisschen lockergemacht, bin meistens früh aufgestanden und habe den Hund zu ausgiebigen Spaziergängen animiert. Das meiste Geld geht eigentlich für ihn drauf, er bekommt sehr gutes Futter (lacht).
Hast du dich mit dieser entspannten Grundhaltung auch ans Schreiben der neuen Songs gemacht?
Ja, ich war ausgeruht und mit mir im Reinen. Ich hatte sehr viel Glück mit meiner Karriere. Mein erstes Album kam vor 18 Jahren raus, ich habe mich immer und immer wieder bewiesen und empfinde heute sehr viel Ruhe und Frieden. Der Druck der Anfangsjahre, seinen Erfolg bestätigen oder noch übertreffen zu müssen, der ist einfach nicht mehr da.
Im neuen Song "It’s All So Long Ago" befasst du dich mit der Frage, ob du gern alles nochmal erleben würdest. Und?
Ich glaube nicht. Ich finde es gut, keine 20 mehr zu sein. Aber ich würde im Nachhinein auch nichts anders machen wollen. Manchmal frage ich mich höchstens, ob ich vielleicht auch in einem anderen Beruf Erfüllung gefunden hätte, denn ich kenne ja nur den der Sängerin und Songschreiberin. Der Song selbst entsprang einer Unterhaltung mit meinem Schlagzeuger Andy, der seit 20 Jahren mit mir spielt.
Gerade feiert die Jugend deine großen Hits wie "This Is The Life" und "Slow It Down" auf TikTok. Was ist da los?
Krass, oder? Meine Fans sind heute jünger als vor 15 Jahren (lacht). Ich glaube, es hängt damit zusammen, dass diese Songs sehr hell und sehr optimistisch klingen und über Dinge wie Freundschaft und Zusammenhalt sprechen. Die Menschen, besonders die jungen, sehnen sich nach Gemeinschaft und nach Verbindungen, ja nach dem Leben ganz generell. Meine Musik ist der Soundtrack zu dieser Lebensfreude.
Auch die neuen Lieder greifen oft so eine Stimmung von Zuversicht und Kampfgeist auf. Ist das etwas typisch Schottisches?
Ich denke schon. Wir Schotten sind es gewohnt, der Underdog und der Außenseiter zu sein. Wir sind stur, wir sind hartnäckig, wir bieten die Stirn, und wir geben niemals klein bei. Das liegt nicht zuletzt an unserer Situation als so einer Art kleiner, schwacher Bruder Englands, mit der wir uns nicht gern arrangieren.
Info: Das neue Album erscheint am Freitag. Am 27. Juli spielt Amy Macdonald bei Das Fest in Karlsruhe.