Das Festival des deutschen Films findet auf der Ludwigshafener Parkinsel statt. Foto: Markus Prosswitz/dpa
Von Ingeborg Salomon
Ludwigshafen. Von diesem Ehrenpreis dürften die meisten der 2400 Gäste, die zur Eröffnung des 15. Festivals des Deutschen Films auf die Parkinsel nach Ludwigshafen gekommen waren, noch nie etwas gehört haben - es sei denn, sie sind Einheimische. Mit der "Pfalzsäule" ehrte Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck die beiden Festivalmacher Dr. Michael Kötz und seine Frau Daniela.
Die Pfalzsäule wird an herausragende Persönlichkeiten aus den Bereichen Wirtschaft, Kultur oder Medien verliehen, die sich in besonderem Maße für die Stadt, auch über die Stadtgrenzen hinaus, eingesetzt haben, wie Dr. Eggert Voscherau, ehemals Vorstandsmitglied der BASF. Dass Kötz und seine Frau das seit der Gründung des Filmfestivals 2004 getan haben, steht außer Zweifel.
Die Zahlen sprechen für sich: Zum ersten Filmfest auf der Parkinsel kamen 2015 rund 7000 Besucher, letztes Jahr waren es 120.000. Eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht, und die ohne die zahlreichen Sponsoren nicht möglich wäre. Ihnen dankte Kötz gewohnt wortreich. Deshalb konnte die Rede von Prof. Konrad Wolf, Kulturminister von Rheinland-Pfalz, anschließend auch "nicht länger als ein Kurzfilm" ausfallen - also etwa vier Minuten.
Die Atmosphäre unter den schönen alten Bäumen hätte an diesem warmen Sommerabend nicht entspannter sein können. Im Liegestuhl zurückgelehnt mit einem kühlen Drink in der Hand zu lauschen, wie der Fluss ans Ufer schwappt, hat einen sehr eigenen Charme. So waren viele Besucher lange vor Filmbeginn gekommen, um sich schon einmal mit Mezze-Teller, Couscous-Salat, indischem Curry oder deftigem Wurstsalat zu stärken. Die Schlangen waren dementsprechend lang, vor allem, da Gläser nach dem Pfandsystem zurückgegeben werden mussten. Sehr ökologisch, aber eine logistische Herausforderung!
Das Publikum war gut durchmischt, neben A- und B-Prominenten aus der gesamten Metropolregion waren Gäste jeden Alters erschienen. Diese besondere Art von Kino scheint immer noch ein Magnet zu sein, auch bei der jungen Generation, die sich im Alltag eher bei Netflix und Co. bedient. Fast das gesamte Team des Eröffnungsfilms "Wendezeit" saß im Publikum. Regisseur Sven Bohse war laut Kötz noch bei einem Dreh, wurde aber gestern erwartet.
Der Film: "Wendezeit" sei ein "bemerkenswerter Film und ein einziges Plädoyer für Menschlichkeit, für echtes Verständnis und damit für Liebe", so Michael Kötz in der Programmzeitung. Deshalb, und weil er so gut zum 30. Jahrestag des Mauerfalls passe, sei er für die Eröffnung ausgewählt worden.
Der Thriller, den Oliver Berben und Heike Voßler für die ARD produziert haben, führt zurück in die Zeiten des Kalten Krieges, als es noch keine Smartphones gab und konspirative Anrufe aus Telefonzellen getätigt wurden. Gezeigt werden die Monate im Herbst/Winter 1989/90, als das politische System der DDR zusammenbrach. Saskia Starke, gespielt von Petra Schmidt-Schaller, versetzt die Nachricht vom Fall der Mauer in Alarmstimmung. Denn sie hat ein gefährliches Geheimnis, das nur sehr wenige Menschen kennen. Seit vielen Jahren lebt sie in West-Berlin, ist verheiratet mit dem Deutsch-Amerikaner Richard (Harald Schrott), gemeinsam haben sie zwei Kinder im Teenageralter.
Dass Saskia eine Doppelagentin ist, ahnt ihr Mann nicht. In Berlin arbeitet sie in der amerikanischen Botschaft, faktisch ist sie aber Agentin bei der CIA, eingesetzt von der Stasi als Spionin. Als der CIA-Agent Jeremy Redman (Ulrich Thomsen) auftaucht, ist Saskias Familie in großer Gefahr - und die Spionin, die aus der Kälte kam, steuert mit der Wende auf eine persönliche Katastrophe zu. Inspiriert wurde der Thriller von den bis heute ungelösten Geheimnissen um die "Rosenholz-Datei"; diese enthielt die Klarnamen der DDR-Agenten im Westen. Dass Saskia unter allen Umständen verhindern muss, dass diese Unterlagen in die Hände der CIA fallen, versteht sich.
"Wendezeit" bietet 120 Minuten fesselnde Unterhaltung mit einigen Kampfszenen, die nichts für schwache Nerven sind. Der Zuschauer muss sich gut konzentrieren, um zu verfolgen, wer hier "die Guten" und "die Bösen" sind. Petra Schmidt-Schaller spielt herausragend und facettenreich eine Frau, die bereit ist, für ihr Land alles zu opfern, bis sie feststellen muss, dass das Leben andere Pläne mit ihr hat. Das Happy End am Schluss überrascht. Ganz großes Kino eben!
"Wendezeit" läuft im Wettbewerb um den Rheingold-Publikumspreis, über den die Festivalbesucher mit ihrem Stimmzettel entscheiden. Verliehen wird die mit 30.000 Euro dotierte Auszeichnung zum Festivalfinale am 7. September.
Info: "Wendezeit" ist nochmals zu sehen am Sa., 24.8., um 14.45 Uhr sowie am So., 8. September, um 21.30 Uhr. Programm sowie Karten hier