Sie ist bestens vernetzt in der regionalen und überregionalen Kulturszene: Ursula Schöndeling. Seit 2017 ist sie Direktorin des Heidelberger Kunstvereins. Foto: Friederike Hentschel
Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Es gibt sie in Leimen oder in Schwetzingen, in Mosbach, Mannheim oder Ludwigshafen, aber auch in Weinheim, Walldorf oder Ladenburg: Vielerorts sorgen Kunstvereine für die Vermittlung zeitgenössischer Kunst oder regionaler Positionen. Nun wurden sie zusammen mit 17 weiteren Initiativen zum "Immateriellen Kulturerbe" der Unesco erklärt. Insgesamt gibt es mehr als 300 Kunstvereine in Deutschland, der Heidelberger gehört zu den ältesten. Er besteht seit 1869 und zählt rund 800 Mitglieder. Geleitet wird er seit 2017 von Ursula Schöndeling. Im RNZ-Interview äußert sie sich zum neuen Label "Immaterielles Kulturerbe".
Frau Schöndeling, Sie sind Vorstandsmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine. Wie lange haben Sie für die Anerkennung als "Immaterielles Kulturerbe" gekämpft?
Den Entschluss zur Bewerbung haben wir 2018 in der Arbeitsgemeinschaft gefasst, dann folgten mehrere Prüfstufen.
Mit welchen Argumenten konnten Sie beim Entscheidungsprozess punkten?
Nun, zunächst handelt es sich ja tatsächlich um eine lange, aber quicklebendige Tradition zivilgesellschaftlichen Engagements. Zivilgesellschaft zu stärken, ist auch aktuell wieder eine wichtige Aufgabe der Demokratien. Dass Kunst nicht nur den herrschenden Schichten des Adels und des Klerus vorbehalten sein sollte, hat das aufstrebende Bürgertum mit den ersten Gründungen von Kunstvereinen vor 200 Jahren durchgesetzt. Diese Emanzipationsgeschichte schreiben Kunstvereine auch heute fort. Wir reflektieren und gestalten gesellschaftliche Veränderungen: mit den Ausstellungsprogrammen, die sich zeitgenössischer Kunst widmen, und mit breiten Vermittlungsprogrammen, die sich an alle Mitbürger*innen wenden und so den Kreis der Kunstbegeisterten stetig erweitern. Der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine sind mittlerweile 300 Institutionen mit mehr als 100.000 Mitgliedern angeschlossen. Es handelt sich um ein einzigartiges Netzwerk von Kunstförderung, das die ländlichen wie die Metropolregionen abdeckt. Das ist beispielhaft für breite Kulturförderung "von unten".
Was bedeutet das neue Label konkret für den Heidelberger Kunstverein? Mehr Geld vermutlich nicht – oder?
Die Corona-Krise bereitet uns allen viele Sorgen, gerade was die kommenden Jahre betrifft. Häufig werden in Zeiten knapper Kassen zunächst die sogenannten "großen" Institutionen weitergetragen. Für die Kunstvereine, auch für den Heidelberger, bedeutet das Label gerade jetzt eine wichtige Anerkennung, die auch von der Politik wahrgenommen wird.
Gefördert wird der Kunstverein durch seine Mitglieder, durch die Stadt und durchs Land. Wie sind Sie bisher durch die Corona-Krise gekommen?
Bisher gut. Das ist zum einen dem gemeinsamen und solidarischen Auftreten der Heidelberger Kulturinstitutionen geschuldet, die den Gemeinderat überzeugen konnte, unsere Verträge zu verlängern. Hilfsprogramme von Bund und Land greifen, soweit die geförderten Projekte durchgeführt werden können. Das steht aber bei Schließungen in Frage und stellt uns vor sehr große Herausforderungen. Denn Kunstvereine finanzieren ihre Arbeit durch Mischförderungen. Neben der Projektförderung müssen auch laufende Kosten gedeckt werden. Unsere Mitglieder stehen trotz der Schließungen zu uns und tragen uns durch diese schwierige Zeit, das ist, was uns stärkt.
Können die Kunstvereine den derzeit während der Corona-Krise besonders betroffenen freien Künstlern in irgendeiner Form helfen?
Mit der aktuellen Ausstellung "Wir sind hier" haben wir den Künstler*innen, die für uns als freie Mitarbeiter*innen tätig sind, eine Präsentationsfläche gegeben, die auch während der Schließung online 24 Stunden am Tag zugänglich war. Sichtbarkeit für die Künstler*innen zu erhalten, war das zentrale Anliegen. Ich konnte schnell reagieren und kurz entschlossen unser Programm ändern und damit direkt in der angespannten Situation helfen. Auch die großzügige Unterstützung durch den Rotary Club Alte Brücke Heidelberg hat viel bewegt. So waren wir erstmals in der Lage, Halbjahresstipendien an vier beteiligte Künstler*innen zu vergeben.
Was haben Sie sich fürs laufende Jahr vorgenommen?
Unser Programm sieht neben dem kommenden Werk-Stoff-Preis für Malerei umfängliche Ausstellungen zur politischen Kunst und zur Sprache vor. Beide Ausstellungen widmen sich grundlegenden Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und bringen unterschiedliche Künstler*innen-Generationen in einen Dialog. Mitte des Jahres wollen wir unter dem Titel "Next Nature" zwei Projekte junger Künstlerinnen starten, die sich direkt mit lokalen Gegebenheiten in Heidelberg beschäftigen und das Publikum einbeziehen. Zum Jahresabschluss planen wir gemeinsam mit dem Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg und der IBA Heidelberg eine große Ausstellung zum Thema Stadt mit einem umfänglichen Begleitprogramm.
Info: Heidelberger Kunstverein, Telefon 06221 / 18 40 86. www.hdkv.de