Die Band „Tom Schilling and The Jazz Kids“ spielt gern in kleinen Clubs. So kam der Schauspieler (2. v. r.) ins Pumpwerk. Foto: Lenhardt
Von Sascha Balduf
Hockenheim. Wenn sich ein erfolgreicher Schauspieler als Musiker versucht, mag manch einer erst einmal skeptisch sein. Aber Tom Schilling zeigt mit seiner Band The Jazz Kids, dass das sehr gut funktionieren kann. Im Pumpwerk hatte die fünfköpfige Gruppe das Publikum jedenfalls gleich auf ihrer Seite. Und das, obwohl der Name den unbedarften Besucher erst mal in die Irre führen könnte. Freilich standen keine Kinder auf der Bühne – und Jazz wurde auch keiner gespielt.
Eine sorgfältig gewählte Mischung aus Indierock und Chanson mit schaurig bösen bis melancholisch verzweifelten Texten trug das Konzert der Band, die mit ihren Anzügen und altmodischen Instrumenten den Charme vergangener Zeiten versprühte. Auf der Liste der Tour-Termine sticht Hockenheim als Spielort ein wenig heraus. Die Rennstadt steht dort neben Hamburg, Köln, Berlin und Dresden. Doch die Jazz-Musiker touren durch kleine Clubs – und die gibt es überall. Intime Konzertsäle für intime Musik. Vielleicht auch deshalb, weil die Musiker derzeit ihr neues Material testen.
Für den Nachfolger der 2017 erschienenen Platte "Vilnius" stehen mehrere Songs zur Auswahl, die man zunächst live testen will. Das Motto "Neue Lieder über die Liebe und den Tod" auf dem Veranstaltungsplakat passte deshalb genau. In Schillings Texten gibt es keine Liebe ohne Schmerz. Er zählt etwa auf, was er alles an seiner Geliebten liebt – um dann im Refrain zu folgern: "Es wird schwer, dich zu vergessen, wenn du mich nicht mehr magst."
Viele Texte bleiben bewusst vage und lassen Raum für Interpretation. Zum Beispiel der Titel "Draußen am See", der melancholisch beginnt und immer düsterer wird. Oder das Lied "Rasteryaev", in dem es darum geht, wie Schilling 2011 seine Ehefrau kennenlernte – das man aber auch ganz anders lesen kann. Man fühlt sich unweigerlich an den Deutschunterricht erinnert, als der Lehrer einem seine Begeisterung für Literatur näherbringen wollte und sich dabei knietief in die Bedeutungsebenen eines Nebensatzes wühlte. Ganz sicher wäre auch dieser Abend ein gefundenes Fressen dafür.
Schilling aber scheint lieber in Gefühlen zu wühlen als in Nebensätzen. Erklärungen gibt er kaum ab, sondern freut sich zwischen den Liedern lieber über die Energie aus dem Publikum. Tom Schilling – bekannt aus "Crazy" (2000), "Napola" (2004), "Oh Boy" (2012) oder "Who am I – Kein System ist sicher" (2014) – lernte beim Dreh von "Oh Boy" die beiden Filmmusiker Chris Colaço und Philipp Schaeper kennen. Da hatte er schon seit ein paar Jahren an Songtexten geschrieben, ohne etwas zu veröffentlichen. Das änderte sich 2014 mit der Formation der Jazz Kids, in der auch Schaeper und Colaço mitmischen.
Wenn er nicht gerade am Mikrofon steht, tanzt der Schauspieler – stets Richtung Vorhang gewandt, als würde er den Musikern nicht den Raum nehmen wollen. Für die passende Stimmung zu den Texten sorgen Philipp Schaeper (Schlagzeug), Christopher Colaço (Piano), Lenny Svilar (Gitarre) und Leo Eisenach (Bass). Das gelingt ihnen sowohl bei den ruhigeren Titeln als auch mit dumpf-drohendem Sound bei "Das Lied vom Ich" oder der "Ballade von René". Die klingt fast schon nach sonnigem Surf-Rock, handelt aber vom Drogentod. Mit Bettina Wegners "Kinder" oder "Der Turm stürzt ein" von "Ton Steine Scherben" offenbaren die Musiker nicht nur, woher sie teilweise ihre Inspiration nehmen. Sie verleihen den Coversongs durchaus auch ihre eigene Note.
Der Autodidakt Tom Schilling greift stellenweise auch selbst zur akustischen Gitarre und spielt eine sehr intime Zugabe ohne Begleitung am Piano. Ungewöhnlich wenige Besucher filmten das Konzert mit dem Smartphone. Stattdessen gab sich das altersmäßig durchwachsene Publikum ganz der Darbietung hin und lauschte den fünf Musikern, die bei aller thematischen Schwere die Gratwanderung zwischen bitter-süß und depressiv gut meisterten.