„Bin ich schön genug?“ fragt sich in „Prinzessinnen“ auch die kleine Meerjungfrau Arielle. Das Stück aus Bolivien greift die Genderdebatte auf. Foto: Pericó
Von Ingeborg Salomon
Heidelberg. Im Paradies war die Sache noch einfach: Adam und Eva waren ganz unter sich, und deshalb musste sich Eva auch keine Gedanken machen, ob sie irgendwelchen Schönheitsidealen genügt. Sie konnte in Ruhe Adam den Apfel reichen. Heutige Evas haben es sehr viel schwerer, wie das Stück "Princesas" (Prinzessinnen) beim iberoamerikanischen Theaterfestival ¡Adelante! zeigte. Regisseurin Claudia Eid Asbún gilt in Bolivien als Theatermacherin der Stunde – und offenbar trifft sie den Nerv junger Frauen (und Männer) auch in Heidelberg, wie der begeisterte Applaus im frisch bestuhlten Zwinger3 bewies.
Zu Anfang bewegen sich die Schauspielerinnen (Elena Filomeno, Isabel Fraile, Lía Michel und Paola Salinas) auf einem roten Teppich auf verlockende Äpfel zu, zurückgehalten vom energischen "No!" eines Mannes. Doch die Vier lassen sich nicht aufhalten und zermatschen die Äpfel mit bloßen Händen. Schluss mit Paradies, frau scheint im realen Leben angekommen. Doch was ist schon wirklich? Wie in einem Kreuzverhör müssen die Disney-"Prinzessinnen" – Schneewittchen, Aschenputtel, Arielle und Pocahontas – Auskunft über ihr Leben und über ihr Rollenverständnis geben.
Dabei müssen sie sich unangenehme Fragen gefallen lassen, etwa Schneewittchen. "Du hast nicht Ja gesagt, und er hat Dich trotzdem geküsst?" Der Zuschauer hat da längst verstanden, dass auf der Bühne das ganze komplizierte Paket zwischen Genderdebatte und MeToo-Bewegung verhandelt wird. In verschärfter Form, versteht sich, denn Bolivien ist ein vom Machismus geprägtes Land. Aus dem Off wird die Stimme eines (bolivianischen) Politikers eingeblendet, der fordert, dass Frauen sich so verhalten sollten, dass sie nicht als Objekte wahrgenommen werden können. Soll heißen: sich "ordentlich" anziehen und Selbstverteidigung lernen.
"Prinzessinnen" changiert zwischen realistischen und absurden Szenen, getragen von vier starken Performerinnen. Star der gut einstündigen Aufführung ist aber Álvaro Eid, der sich vor dem Spiegel in die Dragqueen "Bianca" verwandelt und zu Tina Turners "River deep, mountain high" mit perfekter Lip Sync über die Bühne rauscht. Womit bewiesen wäre, wie weit sich der Begriff "Weiblichkeit" fassen lässt. Neue Aspekte zur Genderdebatte lieferte der Abend nicht, aber die Darstellerinnen überzeugte durch Bühnenpräsenz und viel Power.