Im Schaufenster des Buch-Antiquariats Hatry agierte ein Tänzer. Foto: Theater
Von Franz Schneider
Heidelberg. Man achte auf den Code in pink. Er prangt auf weißen Plakaten, zehnmal aufgehängt in ausgesuchten Lokalitäten in der Nähe des Theaters der Stadt Heidelberg. Das nämlich steckte auch hinter dem vom Corona-Lockdown inspirierten Theaterprojekt "Durchblick". Denn man muss eben hindurchschauen, durch die Scheibe eines bekannten Buchantiquariats etwa oder eines Geschäfts für Augenoptik oder schlicht der einer derzeit leerstehenden Ladenfläche in der Hauptstraße 116. Dabei benötigte man ein Smartphone mit durchgängiger Internetverbindung etwa über das kostenlose öffentliche W-Lan Heidelberg4you.
Vielleicht beginnt man auch dort. Denn drinnen schlurft ein großer, kräftiger Mann herum. Er trägt mal grüne Glitzerplateauschuhe, mal hat er eine uralte Taucherglocke über den Kopf gestülpt oder es ziert ihn ein Drachenschwanz. Hat man jetzt die Kabel ins Ohr gestöpselt, rauscht Bösartiges aus Virgine Despentes‘ "Das Leben des Vernon Subutex" über die Leute im Supermarkt. Auch über die, die gerade daran vorbeigehen und hineinzuschauen versuchen, sich dabei aber vor allem im Fenster spiegeln?
Von denen, das bemerkt man schnell, sind die am Interessantesten, die so ahnungslos wie neugierig scheinen, Laufkulturkundschaft, die nur eben kurz den Code scannen, aber dann nicht wissen, wie einem geschieht. Wenn sie sich jetzt umdrehen würden, geschähe ihnen Eugen Gomringer. Dann nämlich krümmt sich in einem provisorisch geräumten Schaufenster, fast wie ein Guckkasten, ein schlanker, überaus biegsamer junger Mann, zu einem ehemals avantgardistischen Gomringer-Poem mit dem Titel "Sehen trennen verbinden". Ganz nebenbei bemerkt gelingt ihm dies hier sehr kongruent in Einheit von Körper und Text. Weiter ging es die Hauptstraße entlang, der Abendsonne entgegen, da stand ein Stuhl auf der Straße. Wer darauf Platz nimmt erhält die Chance, das nachzuholen, was man einst in New York erleben konnte mit der weltberühmten Marina Abramovic und ihrer noch berühmteren Anstarr-Performance im MoMA.
Also darum hingesetzt und einem Gegenüber streng in die Augen geschaut, wenn auch durch eine Scheibe hindurch, sozusagen die Heidelberger Durchblicksvariante. Irgendwann schmunzelt der nette Mann hinter Glas, es ist offenbar anstrengend für beide. Das waren jetzt drei Stationen von zehn, das Konzept Text im Ohr und Performance oder Darbietung vor den Augen, dazwischen aber immer Glas, wird weiter variiert. Das Zwanglose der zwei Stunden in denen man bequemstens alles abschlendern konnte, war dabei der Reiz und überraschende Intensität oftmals das Erlebnis-Ergebnis. Im September soll eine Neuauflage folgen. Dank dafür aber jetzt schon mal dem gesamten Theater-Team in Zusammenarbeit mit freien Gruppen.