Blick in die Ausstellung "Gute Wünsche in Seide. Kinderkimonos der Sammlung Nakano", die im Textilmuseum zu sehen ist. Foto: Dagmar Welker
Von Julia Behrens
Heidelberg. "Wenn ich meine Augen schließe, kann ich bis in meine Kindheit zurückblicken", erzählt die Kimono-Schneiderin und -Sammlerin Kazuko Nakano. Dabei erinnert sie sich an ihren mit Watte gefütterten Kasane-Kimono, den ihre Mutter im Winter morgens am Feuer erwärmte, oder an einen kühlen, leichten Hitoe-Kimono, den sie im Sommer trug.
Für jede Jahreszeit, aber auch für besondere Anlässe gab und gibt es in Japan passende, individuell gefertigte Kinderkleidung. Mit kunstvollen Bemalungen und Stickereien besitzen diese traditionellen Kimonos eine für das westliche Denken ungewöhnliche Symbolkraft, die sich auf das Lebensglück der jeweiligen Mädchen und Jungen bezieht. Besonders schöne Exemplare kann man jetzt in der Ausstellung "Gute Wünsche in Seide. Kinderkimonos der Sammlung Nakano" im Textilmuseum Max Berk in Ziegelhausen auf sich wirken lassen.
Die Schau ist Teil einer Reihe großer Ausstellungen zum Thema Kind, die das Kurpfälzische Museum, zu dem auch die Textilsammlung gehört, in diesem Jahr - anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums der 1989 von der UN verabschiedeten Kinderrechtskonvention - ausrichtet. Darauf verwies Frieder Hepp, der Leiter des Kurpfälzischen Museums, in seiner Begrüßungsrede bei der Vernissage, die von der Harfenspielerin Sumiko Morrison-Cleator auf dem Saiteninstrument Koto sowie Hartmut Nieder auf der Querflöte mit alten japanischen Volksliedern eindrucksvoll umrahmt und von dem designierten Kulturbürgermeister Wolfgang Erichson eröffnet wurde.
Seit 30 Jahren sammelt Kazuko Nakano (geboren 1935) Kinderkimonos und konnte bereits 2014 einen Ausschnitt ihres ungefähr 1000 Textilien umfassenden Bestandes in Frankreich, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden zeigen. Daraufhin wurde sie von der in Budapest ansässigen Japanologin Csilla Schmitt kontaktiert, die die Sammlung im Rahmen ihrer Masterarbeit katalogisierte und nun 140 Exponate für eine Wanderausstellung in Deutschland, Un-garn und Polen auswählte.
Über die hübschen Räume der ehemaligen katholischen Kirche in Ziegelhausen, in der sich die Textilsammlung befindet, wurden nun etwa 60 Kimonos aus Seide, Baumwolle und Hanf sowie etwa 40 Accessoires, Puppen und reproduzierte Holzschnitte verteilt, die - angefangen bei der Edo-Zeit (1603-1868) - aus mehreren Epochen stammen. Der Begriff "Kimono" bedeutet im Japanischen ganz allgemein "Kleidung", so dass neben zahlreichen Exemplaren, die der hiesigen Vorstellung eines Kimonos entsprechen, auch einige Hosen, Röcke und Westen präsentiert werden.
Den Auftakt bilden kostbare Kimonos aus Seide, auf denen sich zauberhafte Landschaften entfalten. Ihre Motivik ist eng verwandt mit den Sujets japanischer Holzschnitte und Tuschezeichnungen. Besonders häufig erscheinen Kiefer, Bambus und Pflaumenblüte, die für Weisheit und Stärke, Moral und Zuverlässigkeit sowie Eleganz und Intelligenz stehen. Gerne werden diese mit der Darstellung von Kranichen und Schildkröten kombiniert, die eine glückliche Ehe und ein langes Leben versprechen. Darüber hinaus kommen bei Kimonos, die im Frühling und Sommer angelegt werden, häufig Pfingstrosen als Symbol für Wohlstand zum Einsatz, während bei wärmerer Kleidung die Herbst-Chrysantheme als Sinnbild für die Erwartung eines hohen Alters eine Rolle spielt. Das oben erwähnte Saiteninstrument Koto oder der Fuji, der höchste Berg Japans, sind ebenfalls in gemalter Form auf den Kimonos zu finden.
Nach der Meji-Zeit (1868-1912) gelangen dann - etwas überraschend - auch die Darstellung technischer Errungenschaften wie das Auto sowie militärische Motive wie Kampfflugzeuge und Waffen auf die Kleidung.
Vor allem aber aus religiösen Anlässen werden Kinder in Japan mit neuen Stücken bedacht - so wickelt man schon Neugeborene beim ersten Besuch im Tempel in einen reich verzierten Miyamairi-Kimono, damit sie darin den göttlichen Segen empfangen. Es sind Traditionen wie diese, die seit Jahrhunderten Bestand haben und vielen Textilien auch eine rituelle Bedeutung verleihen.
Info: "Gute Wünsche in Seide. Kinderkimonos der Sammlung Nakano", bis 12. Januar 2020. Textilsammlung Max Berk; Brahmsstraße 8, 69118 Heidelberg-Ziegelhausen. Tel. 06221/80 03 17; kmh-textilsammlung-max-berk@heidelberg.de; Mi., Sa., So. 13-18 Uhr. Die Ausstellung wird von einem Rahmenprogramm mit Führungen und Workshops sowie einem Katalog begleitet.