In Hofmannsthals „Elektra“ spielen Wolfgang Graczol und Anne Steiner-Graczol. Foto: Taeter Theater
Von Arndt Krödel
Heidelberg. In dem schmalen Durchgang zum Zuschauerraum steht ein altes Holzregal mit diversen Requisiten, daneben ein Skelett, über dem ein ausgestopfter Vogel hängt. Eine angelehnte Leiter sieht so aus, als sei sie gerade in Gebrauch gewesen. Es ist alles ein bisschen anders im Heidelberger Taeter Theater, das sein Domizil in umgebauten Räumlichkeiten der alten Landfried-Zigarrenfabrik an der Bergheimer Straße hat und den Charme einer längst vergangenen Industriezeit als Alleinstellungsmerkmal seines Ambientes nutzt. Seit 33 Jahren besteht die Amateurbühne jetzt – Grund genug für deren Macher, alle Freunde und Förderer zu einem Festabend einzuladen, der jeweils an drei aufeinanderfolgenden Wochenendtagen angeboten wurde.
"Man soll die Feste feiern, wie sie fallen", schien das Motto für das "Schnapszahl"-Jubiläum zu sein. Für den Schauspieler und Regisseur Wofgang Graczol, der das Taeter Theater 1987 zusammen mit seiner Frau, der Bühnenbildnerin Anne Steiner-Graczol, als freie Theatergruppe gründete, war es rückblickend "eine sehr inspirierende, schöne Zeit", wie er im Gespräch mit der RNZ sagt.
In Vergangenheitsbetrachtung möchte er sich allerdings nicht verlieren. Der Absolvent des Wiener Max-Reinhardt-Seminars war zunächst zehn Jahre am Heidelberger Stadttheater engagiert. Als ihm dort nach eigenen Worten "dieses und jenes" nicht gefiel, sagte seine Frau Anne zu ihm: "Mach doch selber Theater". Was er tat.
"König Ubu" von Alfred Jarry, ein Stück "mit 37 Toten und 22 Umbauten", bildete den Anfang. Zunächst spielte man in der Gartenhalle des Kunstvereins Heidelberg sowie im Kammermusiksaal der Stadthalle, bevor die "Taeter" dann im Landfried-Komplex heimisch wurden. "Wir haben einen sehr weit gefächerten Spielplan", charakterisiert Graczol seine Bühne, auf der er nur mit Amateuren arbeitet – "ausgebildete Schauspieler können wir nicht bezahlen" – und diese zu vielleicht nie geahnten Fähigkeiten führt. Das Repertoire reicht von Valentin bis Kafka, von Hofmannsthal bis Alan Ayckbourn. Und so vielfältig möchte man auch weitermachen.
Die Befürchtung, dass Zuschauer die Leistungen seiner Schauspieler mit der von Profis vergleichen, hat Graczol nicht: "Wir müssen uns nicht schämen", meint der Prinzipal mit dem charmanten österreichischen Akzent, für den Theater "nicht nur Lebensinhalt, sondern auch Lebenselixier" ist. Der "Faust I" wurde 100 Mal aufgeführt und erhielt 1994 beim Theaterfestival in Stuttgarts Theaterhaus den Publikumspreis. Im letzten Monat hat Graczol drei Theaterworkshops geleitet, mit tollen Erfahrungen, wie er berichtet. Vielleicht, so seine Hoffnung, erwächst aus den auch jüngeren Teilnehmern das nächste Ensemble, "mit dem wir ein tolles Stück spielen". Der Wunsch, mehr und mehr auch ein jugendliches Publikum anzuziehen, steht unverkennbar für die Richtung der kommenden Jahre.
Auch weiterhin wird diese Arbeit nur mit der "bedingungslosen Leidenschaft für das Theater" möglich sein, von der Susanne Figge als Vorsitzende des "Trägervereins Taeter Theater" im Hinblick auf Wolfgang Graczol und Anne Steiner-Graczol in ihrem Grußwort sprach. Mit herrlich amüsanten Schlagern und Couplets aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wie das Lied vom "Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän" boten Beate Lesser und Karl Schramm einen gelungenen Auftakt des Festabends, der gleichzeitig einen Vorgeschmack auf ihr Programm "Wie man eine Torte macht und andere Alltagsabenteuer" am 23. Februar lieferte. Der Höhepunkt war dann eine Szene von großer Intensität und atmosphärischer Dichte aus "Elektra" von Hugo von Hofmannsthal, in der Wolfgang Graczol als Gattenmörderin Klytämnestra und Anne Steiner-Graczol als deren Tochter Elektra zu großer Form auflaufen. Das Stück wird im März wiederaufgenommen.