Joachim Schmids "She looks better" bei Zephyr. Foto: Galerie
Von Susann Behnke-Pfuhl
Mannheim. Schnell mal den Lieben zu Hause ein Foto oder einen Film vom Urlaubsort schicken - wer kennt das nicht? Vielleicht noch bevor man sich mit der Landschaft, den Menschen vor Ort vertraut gemacht hat? Anstatt die schöne Aussicht in Ruhe zu genießen, wird das Handy aus der Hosentasche geholt, der Moment verewigt und über die sozialen Netzwerke geteilt.
Die ständige Verfügbarkeit des Smartphones bringt täglich Milliarden von Bildern und Fotografen hervor. Die Ausstellung "Smart as photography - be an artist today!" in der Mannheimer Galerie Zephyr fragt nach der Qualität von Smartphone-Fotografie. Sie zeigt, dass es auch hier Künstler gibt, die aus der Fülle hervorstechen, denn frei nach Beuys ist zwar jeder ein Künstler, wobei es jedoch auch auf das Ergebnis ankommt, das den Betrachter berühren muss. Mit rund 405 Arbeiten geben die Kuratoren Thomas Schirmböck und Yasmin Meinicke einen bemerkenswerten Einblick in die Welt der Smartphone-Fotografie.
Die Hamburgerin Rosa Roth, die eine Zeitschrift für Mobilfotografie herausgibt, rief für die Ausstellung auf Instagram zu einem Fotowettbewerb auf. Beliebige Motive konnten eingeschickt werden. Entstanden ist ein Kaleidoskop der Welt. Die von der Künstlerin ausgewählten 163 Bilder (aus über 2000 Einsendungen) harmonieren: Naturaufnahmen, U-Bahnbilder, Gebäude mit und ohne Menschen, Porträts, Kinder- und Familienfotos, Körperteile. Regionale Fotografen aus der Metropolregion haben auch teilgenommen, etwa die Heidelberger Fotografin Gülay Keskin mit einer sehr schönen, surrealen Innenraumaufnahme.
Joachim Schmid zeigt den Selfie-Hype vor dem Bildnis der "Mona Lisa" im Louvre. Unter entsprechenden Hashtags fand er die geteilten Erinnerungsfotos, die stereotyp den berühmten Hintergrund in eine Staffage verwandeln. Das Selbstporträt als belanglose Pose und Momentaufnahme.
Auf den sozialen Netzwerken der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, ist es für jedermann anschaubar (und kopierbar). Dagegen nutzt der Schriftsteller und Künstler Dieter M. Gräf aus Ludwigshafen das Smartphone zur Dokumentation. Nach dem Tod seiner Mutter fotografierte er mit dem Handy, das er in der Hosentasche bei sich trug, das verwaiste Elternhaus: das stilvolle Wohnzimmer, die Anrichte im Flur mit Memo-Zetteln, den Keller und seine versteckten Dinge.
Der Modefotograf Alistair Taylor-Young nahm seine Bilder mit einem iPhone der ersten Generation auf, um sich wieder wie ein Anfänger in den Pionierjahren der Fotografie zu fühlen. Dabei sind seine höchst poetischen Bilder Zeugnisse eines künstlerisch geschulten Auges. Seine Großaufnahmen von Meer und Küste erinnern in ihrer herrlichen Unschärfe an die Werke eines Gerhard Richter.
Mit Bildern des Todes und ihrer Verbreitung in den sozialen Medien beschäftigt sich Simon Menner. Er zeigt eine Serie mit Kämpfern des sogenannten Islamischen Staates und ihren Opfern, die Menner jedoch aus den Bildern entfernt hat. Eine andere Werkgruppe bezieht sich auf Propagandabilder, in denen der Künstler mit roten Punkten die Handys markiert hat.
Die Forschungsgruppe Forensic Architecture aus London rekonstruiert mit Handybildern, Videos, Zeugenaussagen und Satellitendaten den US-Luftangriff auf ein Gebäude in Syrien, bei dem 42 Menschen ums Leben kamen. Das Gebäude galt als Versammlungsort syrischer Terroristen. Wie in all ihren Arbeiten, die staatlicher Gewalt und Menschenrechtsverletzungen nachgehen, soll auch der Film "Al-Jinah Mosque" die Öffentlichkeit aufklären. Er dokumentiert, dass es sich bei diesem Ort um eine frequentierte Moschee handelte. Handybildern kommt hier eine besondere Rolle zu, die bis in den politischen Kontext reicht.
Info: "smart as photography - be an artist today!" in der Galerie Zephyr der Reiss-Engelhorn-Museen, C4,9, in Mannheim, geöffnet Di, Mi, Fr -So von 11 bis 18 Uhr und Do von 11 bis 20 Uhr, bis 3. März.