1024 Druckplatten und rund 100 Farben waren nötig: Blick in Luise Karoline von Hochbergs Compagniezimmer im Schwetzinger Schloss. Die kunstvollen Tapeten zeigen eine Schweizer Fantasielandschaft. Foto: Staatliche Schlösser und Gärten / Ursula Wetzel
Von Marion Gottlob
Schwetzingen. Den Namen der französischen Tapetenfabrik "Zuber & Cie" kennen nur wenige. Doch eine bestimmte Tapete von "Zuber & Cie" haben viele schon im Fernsehen gesehen, ohne es bewusst zu bemerken: Als John F. Kennedy als Präsident der USA im Weißen Haus amtierte, ließ seine Frau Jacqueline den Diplomatic Reception Room mit der 1834 entworfenen Panorama-Tapete "Vue de l´Amérique Nord" von "Zuber & Cie" dekorieren. Die Tapete gehörte zuvor zu einem Haus, das damals abgerissen werden sollte. Vorher wurde der kostbare Wandschmuck aber gerettet und an das Weiße Haus verkauft. Auf der Homepage von "Zuber & Cie" sind Fotos des früheren Präsidenten Barack Obama und seiner Frau Michelle zu sehen – mit genau dieser Tapete im Hintergrund.
Auch in unserer Region findet man eine Tapete aus der Fabrik "Zuber & Cie": Im Schloss von Schwetzingen zeigt ein Panoramabild eine Phantasie-Landschaft aus der Schweiz. July Sjöberg hat sich mit der Geschichte der Tapete beschäftigt. Die Heidelberger Gästeführerin sagt: "Ich bin eine Sammlerin. Schon als Kind hatte ich Interesse an Sachen vom Flohmarkt." Als Teenager hat sie Puppenhäuser erstanden. "Mit Mühe und Wasserdampf habe ich die neueren Tapeten in den Puppenhäusern Schicht um Schicht entfernt", erzählt sie. Zum Vorschein kamen ältere Tapeten, zum Beispiel aus der Zeit des Jugendstils. Die Puppenhäuser wurden für sie zu Spiegeln vergangener Zeiten. "Es hatte etwas von Archäologie an sich."
July Sjöberg studierte Kunstgeschichte und Volkswirtschaftslehre mit dem Magister-Abschluss. "An Tapeten kann man die Weltgeschichte ablesen", sagt sie. Zumindest einen Teil – und das gelte auch für die Papiertapete in Schwetzingen. Die Zuber-Tapete stammt aus dem Jahr 1804. "Eine Rarität", betont July Sjöberg. Das Schloss von Schwetzingen gehörte damals zu Baden mit dem Markgrafen und späteren Großherzog Karl Friedrich als Regenten. Dessen zweite Frau Luise Karoline von Hochberg setzte durch, dass sie das zweite Stockwerk in ein eigenes Refugium umwandeln durfte. July Sjöberg formuliert das so: "Die Kosten wurden genehmigt. Sie durfte sich austoben." Zur eleganten Ausstattung gehörte die Tapete mit Motiven aus der Schweiz.
Für diese Tapete wurden 16 Bahnen mit den damals innovativen Holzmodeln bedruckt. Wie beim Kartoffeldruck wurde Farbe auf Farbe aufgetragen. Für die Schwetzinger Tapete brauchte es 1024 Druckplatten und rund 100 Farben. Die Motive zeigen unter anderem den Furka-Gletscher, den Staubachfall und eine originale Hütte aus dem Berner Kanton. Als Vorlage für die Motive nutzte man kleine gedruckte Andenkenbilder (oder kleine Drucke), dann wurden die Einzelbilder wie zu einer Collage zusammengefügt. Für die Schwetzinger Wand reichte das Panoroma-Bild der Fabrik nicht ganz aus, so dass man das Bild zum Teil wiederholte.
Die Gästeführerin lächelt: "Bei Führungen schwören Gäste, dass sie Motive der Tapete aus dem Urlaub wiedererkennen: ‚Ich habe dort gewohnt und die Brücke gesehen.‘ So gut sind die typischen Eigenheiten der Schweiz getroffen."
Schon damals war die Tapete ein Erfolg – sie wurde ungezählte Male verkauft. Heute findet man diese Tapete aus der ersten Auflage nur noch sehr selten, so in einem Schloss in Rheda in Westfalen.
Man ist sich nicht sicher, ob Luise Karoline von Hochberg auch nur eine einzige Nacht in diesen Räumen verbracht hat, denn bei der Einrichtung des zweiten Stockwerks fehlt ein Bett. Vielleicht hat sie bei ihrem Gemahl übernachtet, der im ersten Geschoss wohnen sollte? Jedenfalls rankten sich um diese Frau Gerüchte: Sie wurde verdächtigt, dass sie einen Sohn von Großherzog Karl und Großherzogin Stéphanie durch ein totes Kind ersetzt haben sollte. Das lebende Kind sollte ausgesetzt worden sein und tauchte später als Kaspar Hauser wieder auf. Diese Gerüchte gelten heute, so die Historiker, als nicht haltbar. Nach Luise Karoline von Hochberg wurde Stéphanie de Beauharnais, Adoptivtochter Napoleons und Frau des Erbprinzen Karl von Baden, zur Bewohnerin des Schlosses von Schwetzingen. Sie wollte nicht im zweiten Stock residieren, sondern ließ die Räume im ersten Stockwerk restaurieren. Die Räume im zweiten Stock, auch das Zimmer mit der Schweiz-Tapete, überließ sie ihrer Hofdame. Für uns ein Glück. So ließ sie die heute so geschätzte Schweiz-Tapete weder entfernen oder überkleben.
Später fehlten Interesse und Geld für eine Veränderung. Erst 1990 wurden die Stoff-Tapeten in den anderen Räumen nach alten Mustern erneuert – die Papiertapete von 1804 wurde wieder verschont. "Die Firma Zuber & Cie ist heute, nach eigener Aussage, die weltweit einzige Produktionsstätte für mit Holzmodeln hergestellte Tapeten. Sie hat Schauräume in Paris, Nizza, New York, London und Dubai", so July Sjöberg. Diese Tapeten nach historischen Mustern behalten ihren Reiz – über die Jahrhunderte hinweg.
July Sjöberg. Foto: Lenhardt