Foto: Musikalische Akademie Mannheim
Von Simon Scherer
Montag oder Dienstag, 20 Uhr, Rosengarten. Bis vor einem Jahr der Stammplatz für Akademiekonzerte des Nationaltheaterorchesters. Lediglich letzten Oktober erklang noch einmal eines: mit stark reduzierter Anzahl an Musikern und Besuchern. Diesmal war es jeweils ein einziger Solist, der komplett vor leeren Stühlen spielte. Allein auf dem digitalen Weg gelang die Musik zum Hörer.
Trotzdem oder gerade deswegen war die Wirkung von Bachs Cello-Suite Nr. 6 G-Dur umso eindringlicher. Arrangiert für Bratsche schuf Julien Heichelbech eine äußerst ernste Angelegenheit mit diesem durch tiefe Täler verlaufenden Fluss. Bekannte Motive behandelte er durchaus streng, wodurch er sie von jeglichem Kitsch fernhielt.
Ernst waren ebenso die Verse aus Ingeborg Bachmanns "Die gestundete Zeit", die Opernintendant Albrecht Puhlmann in gespenstischer Ruhe vortrug: "Es kommen härtere Tage". Für die erste Folge dieser digitalen Akademie hatte man das Thema "Einsam" gewählt, das auch Brittens Metamorphosen op. 49 bestimmte. Daniela Tessmanns schier endlos schwingende Oboen- Linien waren selbst bei verspielten Schnörkeln von Beharrlichkeit und Nachdruck bestimmt, oftmals verzweifelt, wo die sangliche Schwere ihres Tons etwas sehr Menschliches besaß. Immer an neuen Orten machte diese Seelenwanderung Halt.
Beinahe erfrischend wirkte da Hindemiths Harfen-Sonate C-Dur, mit der Eva Wombacher geradewegs ins Mystische entführte: voll von bezaubernden Klangnuancen und geradezu berauschender Rhythmik.
Nur wenige Werke rufen solche Betroffenheit und Niedergeschlagenheit hervor wie Messiaens "Quatuor pour la fin du temps" (Quartett bis ans Ende der Zeit), das er in deutscher Kriegsgefangenschaft schrieb. Auch wenn es sonst schwierig ist, einzelne Sätze eines Werks gesondert aufzuführen, wurde der Gesang der Vögel (Abîme des oiseaux) schon damals 1940 für sich dargeboten. Patrick Koch ging mit diesem unheimlichen wie furchteinflößenden Klarinettensolo jedoch nicht zu sehr ins Extreme, sondern ließ mitunter eine gewisse Gleichgültigkeit spüren, die jedoch nicht weniger beängstigend war.
Nach weiteren Versen aus Mörikes "Um Mitternacht" und Mascha Kalékos "Vagabundenspruch" schloss Lars Gustafssons "Die Stille der Welt vor Bach" wieder den Bogen zum Auftakt dieses Abends, da der letzte Ton erneut Bach galt: Dessen Cello-Suite Nr. 4 Es-Dur widmete sich Fritjof van Gagern mit wundersam zartem Anstrich und tänzerischer Beschwingtheit, wodurch die Stimmung immer aufhellender wurde. Seine beinah kindliche Neugierde intensivierte diese Unbeschwertheit trotz der vielen ernsten Harmonien noch.
Selbst als Fritjof van Gagern anschließend ohne jeglichen Applaus den Saal verließ, war die Einsamkeit längst nicht mehr so dominant wie zu Beginn. Und das war erst Folge 1 der digitalen Akademie.