Bei „Enjoy Jazz“ auf dem Podium: der Musikexperte und RNZ-Autor Christian Broecking. Er veröffentlichte auch zahlreiche Bücher über das Genre. Foto: Manfred Rinderspacher
Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Er war eine der bekanntesten Persönlichkeiten des Festivals "Enjoy Jazz". Über viele Jahre informierte der Musikjournalist Christian Broecking das Publikum im Rahmenprogramm des hiesigen Festivals über Stilrichtungen, Musikergrößen oder Plattenlabels. Der Soziologe protzte nicht mit seinem Expertenwissen, sondern trat unprätentiös auf wie ein guter Dozent. Die Besucher hingen jedes Mal an seinen Lippen, um mehr darüber zu erfahren, was sie gerade beim Konzert gehört hatten oder gleich hören wollten. Auch für das RNZ-Feuilleton schrieb Broecking höchst informative Musiker-Interviews, Band-Porträts oder Hintergrundberichte über die aktuellen Trends der Szene. Wie jetzt bekannt wurde, ist der gebürtige Flensburger am 5. Februar im Alter von 63 Jahren an den Folgen einer langjährigen, mit Geduld ertragenen Krankheit in seiner Wahlheimat Berlin gestorben.
Als Musikjournalist war Broecking vor Radio-Mikrofonen genauso gefragt wie als Zeitungskolumnist oder als Lehrbeauftragter an mehreren Hochschulen, darunter auch die New Yorker Columbia University. Dem Modern Jazz galt seine ganze Leidenschaft, aber stets verstand er es auch, weit über den Tellerrand hinaus zu blicken und seine Leser oder Zuhörer auf die Traditionslinien musikalischer Entwicklungen aufmerksam zu machen. Das wussten auch etliche andere Festivalmacher zu schätzen. So kam es, dass Christian Broecking zum Globetrotter in Sachen Jazz wurde.
Ornette Coleman besuchte er in Manhattan, Wynton Marsalis schaute bei Christian Broecking zu Hause in Berlin-Tempelhof vorbei. Dort, an seinem Schreibtisch, entstanden auch zahlreiche Musikbücher, die er in seinem eigenen Verlag herausbrachte. Die meisten gelten inzwischen als Standardwerke, etwa die Bücher über Sonny Rollins oder Ornette Coleman, desgleichen der Band über die Geschichte der Fire Music. Wichtig war es ihm, die gesellschaftskritischen und politischen Komponenten der Jazz-Musik herauszuarbeiten.
Christian Broecking gehörte zu den Gründern des "Jazzradio Berlin", er funkte beim "Klassik Radio" mit, schrieb für die "Zeit", die "Berliner Morgenpost", die "Süddeutsche Zeitung" und gut zehn Jahre lang auch für die RNZ. Seine fundierten Kenntnisse veranlassten ihn dazu, noch im fortgeschrittenen Alter mit einer Dissertation zu beginnen. So kam es, dass er als 55-Jähriger mit einer Arbeit über die Pianistin Irène Schweizer an der Technischen Universität Berlin promoviert wurde. Basis seines 480-Seiten-Werks waren unzählige Gespräche mit der Musikerin und deren Weggefährten. Zusammen mit ihr ging er sogar im Rhein baden und schwamm gegen den Strom. Typisch Broecking.