Nikola Hillebrand verabschiedet sich nach Dresden. Foto: F. Schrödinger
Von Simon Scherer
Mannheim. Man hat diesen Moment noch sehr präsent vor Augen, als Dirigent Manfred Honeck am Ende von Strauss’ "Metamorphosen" noch einmal tief ausholte, um selbst den letzten Winkel des Rosengartens mit Schmerz auszufüllen. Danach der lange und andächtige Applaus. Es war der letzte Abend vor dem Teil-Lockdown, als niemand wusste, wann er das nächste Mal wieder in den Genuss von Live-Musik kommen wird. Das Nationaltheaterorchester Mannheim hat daher bereits während der letzten coronabedingten Spielpause eine Konzert-DVD aufgenommen, und der Zufall wollte es, dass dieser Film ebenfalls mit Strauss’ "Metamorphosen" endet.
Die Trauer hob man sich jedoch für den Schluss auf, da zunächst einmal Opern-Feeling ins Wohnzimmer gebracht wird: Ein überraschender Effekt, wenn bei Wagners "Siegfried-Idyll" auf der heimischen Flimmerkiste plötzlich der Mannheimer GMD Alexander Soddy entgegenstrahlt. Schnell verbreitet sich eine angenehme Stimmung in den eigenen vier Wänden, für die Soddy zarteste Klangfarben wählt: farbintensiv, aber keineswegs zu grell; sehr natürlich eben. Passend lässt sein Dirigat Ruhe und Besonnenheit walten, leitet geschmeidig von einer Phrase in die nächste über, wodurch ein beschaulicher Fluss entsteht. Mit viel Liebe zum Detail arbeitet das Orchester hier, wodurch jedes Motiv seinen eigenen Zauber entfaltet.
Unterstützung gibt es auch aus den Sängerreihen des Nationaltheaters, womit sich Nikola Hillebrand gleichzeitig von Mannheim verabschiedet und an die Dresdner Semperoper wechselt. Freilich reicht der Gesang in einem Aufnahme-Studio nicht so weit wie im Mozartsaal, geht in diesem kleinen Rahmen dafür aber besonders intensiv zu Herzen. Auch weil man neben dem Hörgenuss die Mimik der Interpretin direkt vor Augen hat.
Hillebrand überzeugt neben ihrer anteilnehmenden Melodiegestaltung mit ungemein reinem und klarem Sopran, den sie souverän und gewandt selbst durch die schwindeligsten Höhen von Mozarts "Mia speranza adorata" oder "No, no, che non sei capace" lenkt.
Wie Honeck wählt Soddy für Strauss ein eher zügiges Tempo, das den Fokus klar nach vorne lenkt. Die Klangmacht ist bewusst nicht zu opulent aufgeladen, sodass überall dünn besaitete Streicherlinien entstehen, die diesen Klagegesang besonders leidvoll ausmalen. Sensibel meistern die 23 Solostreicher den Spagat zwischen Transparenz des komplexen Stimmgeflechts und leidenschaftlich mitreißender Emphase. So war diese Aufnahme während des ersten Lockdowns ein enorm wichtiges Projekt, um das Zusammenspiel des Orchesters nicht zu gefährden.
Erreicht diese von Angst und Niedergeschlagenheit geprägte Grundstimmung zum Schluss ihren emotionalen Höhepunkt, fällt die Wirkung nicht weniger drastisch aus als im Rosengarten.
Info: Die DVD kann für 10 Euro direkt bei der Musikalischen Akademie Mannheim bestellt werden: service@musikalische-akademie.de