Mannheimer "Port 25"

Will Sohl und seine Künstlerbücher

Ausstellung über den aus Ludwigshafen stammenden Künstler - Ein Buch für jedes Jahr

02.07.2018 UPDATE: 03.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden

Will Sohls "Selbstbildnis mit Segelboot" entstand 1932. Der Künstler lebte lange in Heidelberg. Das Mannheimer Ausstellungshaus "Port 25" zeigt seine Künstlerbücher. Foto: chl

Von Milan Chlumsky

Mannheim. Nach dem Zweiten Weltkrieg orientierte sich Deutschland an der Kunstszene in New York, und fast alles, was hierzulande in Galerien und Museen gezeigt wurde, musste sich daran messen lassen. Fast gänzlich ignoriert wurde, wer sich, wie der junge Will Sohl, um eine absolut neue Ausdrucksweise bemühte. Es gehört ein unglaubliches Können dazu, sich genau an der Schnittstelle zwischen der figurativen und abstrakten Kunst so zu positionieren, dass das Expressive und Emotionale nicht zu kurz kommt.

Die emotionale Kraft, die in den Bildern von Will Sohl gleichermaßen in der Abstraktion wie auch in der Figuration verankert ist, kann es ohne Weiteres mit Bildern, Aquarellen und Holzschnitten eines Otto Dix oder George Grosz aufnehmen. Will Sohl vermag es, tiefer, deutlicher und auch raffinierter Inhalte in passenden Farben zu vermitteln, als dies zahlreichen etablierten Größen des Kunstmarktes gelungen ist.

Wer es nicht glaubt, soll im Mannheimer "Port 25" zuallererst die fein eingerichtete Lesestube mit Kunstbüchern von Will Sohl inmitten des großen Ausstellungsraumes besuchen. Mit Tischen und Leselampen ausgestattet, stehen hier einige der 30 Kunstbücher, die Will Sohl zwischen 1927 und 1968 realisierte, jedem Betrachter zum Blättern zur Verfügung. Als Faksimiles.

Für den aus Ludwigshafen stammenden Künstler, der in Mannheim aufwuchs und erste Erfolge schon unmittelbar nach seiner Studienzeit an der Düsseldorfer Akademie hatte, waren die ersten Versuche in Holzschnitttechnik nicht minder revolutionär. Der in der Ausstellung gezeigte Band "Kleinbürger am Sonntag" (1927) besitzt eine ähnliche Sprengkraft wie Grosz, zugleich gibt es sanfte "Töne", etwa in dem Blatt "Papa schläft".

1936 zog Sohl nach Heidelberg und konnte in der Nähe des Stifts Neuburg sein Atelier einrichten. Im Krieg musste der Obergefreite Sohl täglich mit dem Fahrrad nach Mannheim-Käfertal fahren, um eine Flackposition zu bedienen, Nachtdienst inklusive. "1945" ist eines der bewegendsten Künstlerbücher betitelt; es thematisiert die Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs.

Will Sohl schuf ab 1936 jedes Jahr ein Künstlerbuch mit etwa 14 Blättern. Darin zog er jeweils eine Art Bilanz des vergangenen Jahres. Dies konnte verschiedene Form- und Stilentwicklungen beinhalten, aber es konnten auch Illustrationen zu Büchern (etwa im S. Fischer Verlag) sein. Oder Versuche, die Natur in einer ganz neuen Auffassung wiederzugeben. So zum Beispiel jene nordische Landschaft, die er während seiner Reisen nach Norwegen oder zum Polarkreis in ihrer winterlichen Unerbittlichkeit erlebte.

Nach dem Krieg konnte Sohl sein Betätigungsfeld erheblich erweitern. Vor allem nachdem er bei einem Aufenthalt auf Sylt 1946 von dort lebenden einstigen Direktor der Mannheimer Kunsthalle, Fritz Wichert, unterstützt wurde. Wichert vermittelte ihm weitere Kontakte, etwa zum Architekten Otto Bartning, der Will Sohl ab 1952 bei Aufträgen für Kirchenfenster in der Region berücksichtigte.

1968 erhielt der Künstler den renommierten Hans-Thoma-Preis, ein Jahr nach Otto Dix. Wäre der damalige baden-württembergische Kultusminister Wilhelm Hahn nicht aktiv geworden, hätte man ihn wahrscheinlich wieder übersehen.

1968 ahnte Sohl möglicherweise, dass ihm nicht allzu viel Zeit bleiben würde, deshalb intensivierte er seine Arbeit. Die Reisen zu den Lofoten 1968 und 1969 sollten seine letzten werden. Die Konfrontation der Jahreszeiten in der schneebedeckten nordischen Landschaft war eine große malerische Herausforderung.

Sohl versuchte sich an einer neuen Form der Abstraktion und genoss zugleich die Freiheit einer neuen Farbgebung, die ihm diese mit Vehemenz ausgeführte Aquarelltechnik ermöglichte. Hier erreichte er den Gipfel seiner Kunst.

Zu den "Mannheimer Nachlässen", die vom Mannheimer Kunstverein betreut werden, gehören 27 Künstlerbücher Sohls. Sie sind in Tusche, Aquarell, Bleistift oder als Holzschnitte ausgeführt worden.

Dazu gehören auch Federzeichnungen für die Tageszeitung "Die Welt" sowie ein Buch mit Bleistiftzeichnungen und Aquarellen. Drei Bücher befinden sich in Privatbesitz, von weiteren drei fehlt jeder Hinweis. Insgesamt eine hervorragende Ausstellung, die auch eine beispielhafte Pflege von Künstler-Nachlässen verdeutlicht.

Info: Port 25, Mannheim, bis 26. August.

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