Collage von Norbert Nüssle in Mannheim. Foto: Milan Chlumsky
Von Milan Chlumsky
Mannheim. Ein Frankreichliebhaber war der gebürtige Heidelberger Norbert Nüssle zeit seines Lebens. Schon zum Studium zog es ihn dorthin, anschließend unterrichtete er Französisch und Latein. Nebenbei begann Nüssle zu malen und zu collagieren, wobei er sich fast immer einen Punkt etwas angehoben von der Oberfläche der Erde wählte, von dem aus er die ganze Welt unter einem 360 Grad großen Winkel betrachten konnte. So auch in der Bretagne, wo er sehr oft weilte. Schon die Strecke dorthin steckte für ihn voller Motive. Und wenn er am Straßenrand noch schnell etwas skizzierte, das er in ein Bild integrieren wollte, dauerte die Fahrt eben etwas länger als beabsichtigt.
Im Jahr 1961 zeigte Nüssle eine erste Ausstellung in der Münchener Gurlitt Galerie, angeregt von der Welle der Art Brut um Jean Dubuffet. Überhaupt war er an der französischen Kunst und Literatur interessiert. Vor allem faszinierten ihn Eugène Ionesco und sein absurdes Theater, Jean Paul Sartre und Albert Camus. Nüssle fand alsbald seine Nische. Wie auf einer Drohne in die Lüfte gehoben, beobachtete er das Geschehen im urbanem Raum unter sich und verwendete in seiner ab sofort collagierten Welt das, was er in nächster Umgebung am Boden vorfand: Zigarettenschachteln, abgerissenes Bonbonpapier, Zeitungsfetzen oder das eine oder andere Polaroidbild, das am Ort des Geschehens aufgenommen wurde. Das Ganze oft aus der Vogelperspektive, wo die Straße hinter dem Horizont verschwinden kann.
Bald fühlte er sich in der Bretagne wie zu Hause und anerkannt: 1974 durfte er im Musée de Brest ausstellen, dann in französischen Galerien. In Deutschland zeigten 1970 der Heidelberger Kunstverein, 2007 der Mannheimer Kunstverein und kurz vor seinem Tod die Stadtgalerie Mannheim seine Arbeiten. Glücklicherweise fand sein Werk anschließend Platz in den Mannheimer Nachlässen. Diese haben nun die Chance, Ausstellungen interimsweise in dem vor der Sanierung stehenden Mannheimer Finanzamtes zu präsentieren, und wählten Norbert Nüssle für die erste Schau.
Es ist zu sehen, dass Norbert Nüssles große Arbeiten aus "objets trouvés" aus Mannheim und der Bretagne zu jenen gehören, die nicht "altern". Daneben gibt es auch eine ganze Reihe kleiner Blätter, die sehr viel von seiner besonderen Sensibilität in puncto Zeichnung oder auch Farbführung verraten.
Info: Norbert Nüssle: "Sommer, Sonne, Strand und Meer". Temporärer Kunstraum in L3,1 (am Finanzamt Mannheim), bis zum 1. August 2020. Öffnungszeiten sind am Donnerstag 17.30 bis 19.30 Uhr und am Samstag 13 bis 17 Uhr. www.kuenstlernachlaesse-mannheim.de