„Es fehlt an Vertrauen und Kommunikation“: Der Jurist Marc Grandmontagne kritisiert die Kulturpolitik in Baden-Württemberg. Er ist Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Bühnenvereins in Köln. Foto: Cornelis Gollhardt
Von Volker Oesterreich
Köln. Im Land Baden-Württemberg hofft man, dass die Theater noch im März vorsichtig wieder geöffnet werden können. Es wird auch wieder geprobt. Unterdessen tobt jedoch eine ganz andere kulturpolitische Auseinandersetzung um die Ausfallhonorare für freie Künstler und die Umstellung der Festbedarfs- auf die Fehlbedafs-Zuschüsse des Landes für die kommunalen Theater. Darüber sprach die RNZ mit Marc Grandmontagne, dem Geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Bühnenvereins in Köln.
Herr Grandmontagne, kurz vor der Landtagswahl beschweren sich 13 Theater-Ensembles aus Baden-Württemberg in einem Offenen Brief an Kunstministerin Theresia Bauer über die mangelnde Förderung freier Künstler, die von der Pandemie stark betroffen sind. Ist das Wahlkampfgetöse oder steckt mehr dahinter? Läuft aus Ihrer Sicht etwas falsch?
Naja, den Künstler*innen kann man nun nicht vorwerfen, Wahlkampf zu machen. Hinter ihren Forderungen steckt blanke Not, da geht es um Existenzen. Es wurde versäumt, den Theatern eine tragfähige kulturpolitische Perspektive zu bieten, die auch eine Lösung über die Vergütung von Gästen und freien Künstler*innen vorsieht. Zu einer verantwortungsvollen Kulturpolitik gehört es, auch die mitzudenken, die am wenigsten geschützt sind, aber genauso zum Theaterbetrieb gehören. Es fehlt an Vertrauen und Kommunikation auf Augenhöhe.
Die Ensemblemitglieder kritisieren in ihrem Offenen Brief außerdem die Umstellung der jahrzehntelang üblichen Festbedarfsfinanzierung der kommunalen Theater auf eine Fehlbedarfsfinanzierung. Wie werten Sie das?
Diese Umstellung trifft die Theater und Orchester in der Tat hart. Sie haben deutlich weniger Gestaltungsspielräume. In der aktuellen Krisensituation die Häuser derart zu schwächen, muss hinterfragt werden. Was ist das Konzept hinter dieser plötzlichen Umstellung? Hilft das den freien Künstler*innen? Wer kulturpolitisch gestalten will, findet unabhängig von der Finanzierungsform ausreichend Spielräume.
Das Kunstministerium argumentiert, nach der Pandemie wolle man zur Festbedarfsfinanzierung zurückkehren. Also ein Sturm im Wasserglas?
Das wäre ein ganz schön teurer Sturm für die baden-württembergische Kulturlandschaft. Dabei geht es ja nicht nur um das Kurzarbeitergeld. Auch Sponsorengelder fließen durch die Umstellung in den Landeshaushalt. Wenn am Ende alles wieder zurückgenommen wird, fehlt das Geld ja trotzdem in den Häusern. Und wann ist überhaupt das Ende der Pandemie erreicht? Deswegen stelle ich die Frage nochmal: Was hilft diese Umstellung in der aktuellen Krisensituation? Mit diesen schwammigen Aussagen sind keine Perspektiven für die kommenden Monate möglich. Dabei kommt es genau jetzt auf die Perspektiven an. Und wo wir über den Wahlkampf gesprochen haben: Im Wahlprogramm der Partei der Staatssekretärin Petra Olschowski steht: "Wir versetzen Kultureinrichtungen in die Lage, faire Honorarverträge abschließen zu können." Mit der aktuellen Politik passiert genau das Gegenteil.
In der Pressestelle des Kunstministeriums wird argumentiert, fünf Kommunaltheater hätten Überschüsse erzielt, nicht zuletzt wegen der Zahlung von Kurzarbeitergeld.
Das klingt so, als würden sich die betreffenden Häuser auf Kosten anderer bereichern. Das Kurzarbeitergeld ist aber eine Versicherungsleistung des Bundes. Es den Häusern für die Bewältigung der Krise zu belassen, ist im Sinne des Erfinders. Von einer Schwächung der Häuser profitiert niemand.
Die Künstler werfen der baden-württembergischen Kulturpolitik auch mangelnde Transparenz vor. Schließen Sie sich dem an?
Ja, denn aus unserer Mitgliedschaft wissen wir, dass das Land die Theater und Orchester bis letzten Herbst völlig im Unklaren über den Umgang mit den Ausfallgagen gelassen hat. Diese Versäumnisse in der Kommunikation haben zu einem massiven Vertrauensverlust bei den Einrichtungen geführt, wo doch gerade jetzt Vertrauen wichtiger ist denn je. Ich wünsche mir sehr, dass vom Land jetzt klare Signale in Richtung einer gemeinsamen Verständigung mit den Theatern und Orchestern ausgeht und eine offene Debatte darüber geführt wird, wie man nach der Wahl tragfähige Lösungen findet, die die Häuser stärken und ihrer Bedeutung für das kulturelle Leben in Baden-Württemberg gerecht werden.