Schräge Kostüme, flottes Spiel: Szene aus der südkoreanischen Produktion "Romeo und Julia" frei nach Shakespeare. Die Liebestragödie handelt vom Streit zweier verfeindeter Familien, in der Fassung der Yohangza Theatre Company schwingt aber auch der Konflikt zwischen Nord- und Süd-Korea mit. Am 29. April wird das Gastspiel der Truppe im Heidelberger Theater gezeigt. Foto: YTC
Von Volker Oesterreich
Heidelberg. "Kluge Gefühle", so heißt die Uraufführung, mit der Ende April der nächste Heidelberger Stückemarkt eröffnet wird. Der Titel der Vorjahressiegerin Maryam Zaree steht für das, was Theater seit zweieinhalb Jahrtausenden leisten will: Es appelliert an unseren Verstand und gibt sich gefühlig, Herz und Hirn kommen gleichermaßen zum Zuge. Das besagt auch der auf Horaz basierende Leitgedanke, wonach "delectare et prodesse" (erfreuen und nützen) die wichtigsten Aufgaben der Kunst seien.
Auf ganz neue Weise soll das vom 20. bis 29. April beim Heidelberger Festival für zeitgenössische Dramatik geschehen: mit sechs deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, die einen der begehrten Preise ergattern wollen; mit drei weiteren Dramatikern aus dem Gastland Südkorea, sie konkurrieren um den Internationalen Autorenpreis; und mit einem reichhaltigen Gastspiel-Programm großer Bühnen aus dem deutschsprachigen Raum und aus Korea. Produktionen, die für den Nachspiel-Preis und den Jugendstücke-Preis nominiert wurden, ergänzen das Spektrum. Neu ist ein Angebot für 10 bis 15 Stipendiaten, die auf Einladung des Theater-Freundeskreises die Bereiche Regie, Dramaturgie oder Bühnenbild kennenlernen können.
Autorenwettbewerb: Sechs deutschsprachige Stücke werden am 21. und 22. April in szenischen Lesungen vorgestellt. "Es sind Newcomer und alte Hasen dabei", sagte Jürgen Popig, der Leitende Dramaturg des Heidelberger Theaters, bei der Vorstellung des Programms. Geboten werden Komödien mit surrealen Überraschungen. Dabei wird unter anderem geklärt, wie ein Wal in eine U-Bahnstation kommt. Aber es gibt auch ein Stück über einen nationalsozialistischen Ortsgruppenleiter, der in den 1930er Jahren in der Türkei gearbeitet hat. Mal geht’s komödiantisch zu, mal hochpolitisch oder märchenhaft mit aktuellen Bezügen. Sören Hornung, Esther Becker, Leon Engler, Ulrike Syha, Carsten Brandau und Rinus Silzle heißen die eingeladenen Autoren.
Gastland Südkorea: Heidelbergs Intendant Holger Schultze und der Korea-Scout Jürgen Berger gieren mit dem Programm des Gastlandes nicht nach Gold, Silber und Bronze wie bei der Winter-Olympiade in Pyeongchang, sondern wollen möglichst viel vom gesellschaftlichen Leben, von der Brisanz der geteilten Nation und von der boomenden Wirtschaftsmacht mit all ihren Schattenseiten vermitteln. Korruption oder die extreme Arbeitsverdichtung forderten und fordern ihren Tribut. Neben Japan gehöre Süd-Korea zu den Staaten mit der höchsten Selbstmordrate, sagte Berger, weil viele Menschen dem extremen Leistungsdruck nicht gewachsen seien.
Yanggu Yis "Gelber Umschlag", Jae-Yeop Kims "Chronik der Alibis" und Yeon-ok Kohs "Gespür einer Ehefrau" werden am 28. April beim Internationalen Autorenwettbewerb vorgestellt, während als Gastspiele am Wochenende 28./29. April eine Adaption von Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden", die Produktion "Before After" einer freien Gruppe und "Romeo und Julia" sehr frei nach Shakespeare auf die Bühne geholt werden. Letztere reflektiert das Spannungsverhältnis zwischen Nord- und Südkorea. Außerdem will die aus der Metropole Seoul stammende Band "Ssingssing" mit einem wilden Mix aus Rock, Pop und koreanischer Volksmusik auftrumpfen und sich in queeren Kostümen präsentieren.
Gastspiele: Auch in diesem Jahr treten wieder die ganz großen "Player" beim Heidelberger Stückemarkt an, darunter das Burgtheater Wien, das Deutsche Theater Berlin, das Staatsschauspiel Dresden, das Maxim Gorki Theater, das Schauspiel Leipzig, das Theater Basel, das Volkstheater Wien und etliche mehr. Bildeten im Vorjahr noch Flucht und Vertreibung die thematischen Schwerpunkte, so spiegelt sich diesmal vor allem die zunehmend unübersichtlicher werdende Welt und die Kompliziertheit unserer Lebensverhältnisse in den Produktionen.
Jugendstücke-Preis: Um diese Auszeichnung und damit auch um eine Einladung zu den Mülheimer Theatertagen treten das Grips-Theater Berlin, das Theater Magdeburg und das Berliner Gorki-Theater an.
Sponsoren: Die Manfred-Lautenschläger-Stiftung trägt auch in diesem Jahr wieder die Kosten für den mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis des Festivals. Das Land Baden-Württemberg steuert mit 5000 Euro das Preisgeld für den Internationalen Autorenpreis bei, während das Heidelberger Unternehmer-Paar Bettina Schies und Klaus Korte den Jugendstücke-Preis in Höhe von 6000 Euro stiftet. Der Freundeskreis des Theaters holt 2500 Euro aus seiner Kasse, um den Publikumspreis zu bezahlen. Den größten Brocken stellen die Reisekosten für die koreanischen Künstler und Bühnentechniker dar, allein 55 Flüge sind nötig. Dafür kommt das Kulturministerium Südkoreas auf.
Vorverkauf: Der Vorverkauf für den Heidelberger Stückemarkt beginnt heute, ermäßigte Karten für Schüler-Gruppen gibt es ab 5 Euro, sonst ab 7 Euro. Der Festival-Pass für alle Veranstaltungen kostet 140 Euro, ermäßigt 70 Euro.
Info: heidelberger-stueckemarkt.de