Das Aris Quartett während des Streichquartettfest 2019: Bei der Aufführung des „Jagd-Quartetts“ von Jörg Widmann wird der Cellist am Ende „erlegt“. Foto: studio visuell
Von Matthias Roth
Heidelberg. Das Streichquartettfest des Heidelberger Frühlings, das immer im Januar stattfindet, ist ein Höhepunkt des Jahres nicht nur für Kammermusikfreunde aus Heidelberg und der Region. Normalerweise kommen dazu Musikfans aus ganz Deutschland und dem nahen Ausland angereist. In diesem Jahr fiel es aufgrund der Corona-Pandemie aus bzw. wurde komplett ins nächste Jahr verschoben.
Frau Baumeister, wie viele Ensembles, Wissenschaftler, Organisatoren und Team-Mitarbeiter sind denn in das Streichquartettfest involviert und nun von der Verschiebung betroffen?
Eingeladen waren sechs Quartette aus den USA, Belgien, Deutschland und Österreich, außerdem der Musikwissenschaftler und Wolfgang-Rihm-Experte Ulrich Mosch und die Autorin und Journalistin Eleonore Büning. Für das Streichquartettfest arbeitet das gesamte "Heidelberger Frühling"-Team intensiv seit Sommer 2020. Und die Programmplanung fängt natürlich schon deutlich früher an. Umso schöner ist es, dass wir 2022 das Geplante mit allen Beteiligten für unser Streichquartettfest-Publikum aus Nah und Fern auf die Bühne bringen und inhaltlich noch weiterdenken dürfen!
Die Nerven vieler Künstler sind in der derzeitigen Situation extrem angespannt. Auch wenn man ahnte, dass es in diesem Jahr schwierig wird, wie nahmen sie die Verschiebung auf?
Da unsere Programmplanung in engem Austausch stand und die Quartette in den Änderungsprozess mit eingebunden waren, sehr gut, unglaublich kooperativ und vor allem dankbar. Für die Künstlerinnen und Künstler sind konkrete Perspektiven derzeit immens wichtig, vor allem, wenn es – wie beim Streichquartettfest – um ein teilweise neues Repertoire geht. Alles ist für sie im Moment unsicher. Sie fragen sich: Werden meine Termin im Kalender wieder gestrichen? Darf ich die erarbeiteten Programme überhaupt auf die Bühne bringen? Das ist neben dem wirtschaftlichen Druck auch schlichtweg eine psychische Durststrecke. Man denkt, der positive Effekt kann sein, dass in den normalen Künstleralltag Zeit und Ruhe für Kreativität Einzug halten. Das gilt aber nicht für jeden. Einige lähmt diese Unsicherheit auch. Das kreative Potenzial will eben auch mal raus aus der Kammer! Künstler brauchen die Resonanz des Publikums.
Die Programme des Heidelberger Treffens sind oft speziell auf ein Thema zugeschnitten. So etwas schüttelt man auch als erfahrenes Ensemble nicht aus dem Ärmel: Wie gestaltet sich denn die Probenarbeit derzeit?
Das ist in der Tat gerade ein riesiges Problem. Nicht selten leben Streichquartett-Mitglieder nicht in derselben Stadt oder gar im selben Land. Das Zusammenkommen für Arbeitsphasen ist für viele derzeit nicht möglich. Dies hätte jetzt im Januar zwangsläufig zu Programmänderungen geführt. Nun haben die Quartette mehr Zeit für dieses besondere Repertoire und wir können nächstes Jahr vielleicht noch die eine oder andere erweiterte Besetzung zum Klingen bringen.
Wolfgang Rihm, ein in Heidelberg gern gesehener Gast, sollte dieses Jahr im Zentrum des Festivals stehen: Er hatte starke gesundheitliche Probleme vor einigen Jahren. Wie geht es ihm derzeit?
Erfreulicherweise ist er wohlauf und freut sich sehr auf das Streichquartettfest 2022 und sein Publikum. Es wird sein 70. Geburtstagsjahr einläuten. Mit ihm zusammen das Programm zu gestalten und weiterzuentwickeln, ist pure Freude. Seine Energie, seine Lust und künstlerische Größe! Für diese Freundschaft und den künstlerischen Austausch kann man als Festivalmacher einfach nur zutiefst dankbar sein.
Info: Aktuelle Podcasts mit den Ensembles gibt es unter: www.streichquartettfest.de