Selbstbewusst: Rapper Toni-L inszeniert in seinem Clip ein Comeback à la Rocky.
Von Daniel Schottmüller
Heidelberg. Zunächst sieht Heidelberg ziemlich trostlos aus: Dunkelheit, geschlossene Türen, Schneematsch. Aber während Toni-L sich mühsam durch den Regen kämpft, bricht allmählich der Tag heran. Schließlich erklimmt er eine steile Treppe. Oben angekommen reißt der Deutschrapper die Fäuste in den Himmel wie einst Vorzeige-Boxer Rocky Balboa. "Ich schicke Grüße im Namen der Zukunft. Und du weißt, dass sie Kunst ist", hört man dazu aus dem Off.
Ein Videoclip als triumphale Rückkehr? Nicht ganz. Aber in diesem Lockdown-Winter, der Künstler und Entertainer besonders hart trifft, beweist nicht nur Toni-L den Willen, sich durchzuboxen. Neben dem Musiker setzen 140 weitere in Heidelberg und der Region lebende Künstler ein Hoffnungszeichen in Videoform.
Initiiert wurde das Projekt "Auftakt Kunst!" vom Kulturamt der Stadt Heidelberg. Hauptberuflich freischaffende Künstler aller Sparten waren aufgerufen, ein aktuelles Werk in Form eines Kurzvideos zu präsentieren. Aus den Einsendungen wurden dann 100 Videos per Losverfahren ermittelt, die seit einer Woche über die städtische Website und die sozialen Medien zugänglich sind.
Der von Toni-L gedrehte Clip hat bislang für besonders hohe Klickzahlen gesorgt. Was "Auftakt Kunst!" aber so besonders macht, ist die künstlerische Bandbreite, die auf der virtuellen Bühne zu erleben ist. Glasbläserei, japanische Trommeln, Fotografie, Tanz, Cyber-Punk, Mode oder Slam-Poetry. Die Vielfalt der Videos ist enorm.
Szene aus dem Beitrag von Cholud Kassem. Die in Bagdad geborene Malerin ist eine von 141 Künstlerinnen und Künstlern, die ein eigenes Video eingereicht haben. Screenshots: RNZDavon zeigt sich die Leiterin des Heidelberger Kulturamts gar nicht mal überrascht, ebenso wenig von der Zahl der Einsendungen: "Wir wussten, dass sehr viele Künstler aller Sparten in Heidelberg leben und arbeiten", sagt Andrea Edel. "Was mich aber besonders gefreut hat, war, wie schnell die Künstler reagiert haben." Denn viel Zeit hatten sie nicht. Der Gemeinderat habe das Projekt am Donnerstagabend, 18. Dezember, abgesegnet. "Wir haben den Aufruf zwar unmittelbar danach ins Internet gestellt, aber Einsendeschluss war bereits der 10. Januar", erklärt Edel. Sie war beeindruckt, als rasch nach dem Aufruf die ersten Videos eintrafen. "Besonders schön war für uns, zu sehen, wie die Künstler sich gegenseitig auf das Projekt aufmerksam gemacht haben." Solidarität, die nicht unbedingt selbstverständlich ist. Schließlich war klar, dass am Ende nur 100 Beiträge von der Stadt publiziert werden. "Bei dem ein oder anderen Video, das es im Losverfahren nicht in die Auswahl geschafft hat, hat mir schon ein wenig das Herz geblutet", bedauert sie.
Das sei allerdings der einzige Negativaspekt des Projekts. "Schon in den ersten sieben Tagen haben uns viele dankbare Reaktionen erreicht", berichtet Andrea Edel. Auch im Netz sei die Resonanz durchweg positiv. Nach "Solo Fantastico" und "CoronLine" während des ersten Lockdowns 2020 ist "Auftakt Kunst!" das dritte von der Stadt initiierte Corona-Soforthilfe-Projekt.
Alle drei Vorstöße zielten in Zeiten der Pandemie nicht allein darauf ab, eine Bühne für lokale Künstler zu schaffen: "Wir wollten auch den Bürgern ein Geschenk machen", betont Andrea Edel. Die Kulturamts-Leiterin hofft, dass die 100 Videos und die damit einhergehenden Stunden des Kunstgenusses Signalwirkung haben werden. "In Zeiten des Lockdowns steht nichts Geringeres infrage als die Fortsetzung der Kunstproduktion. Wir alle sind aufgefordert, unsere Augen auf diese Künstler zu richten."
Info: Abrufbar sind die 100 Künstlervideos derzeit im Internet unter www.heidelberg.de/auftaktkunst.