Sensationelles Tanzgastspiel mit einer Choreografie von William Forsythe. Foto: zg
Von Isabelle von Neumann-Cosel
Heidelberg. Er ist wieder da - oder besser: noch einmal da. 2015 schockte der Ausnahmechoreograf William Forsythe, der vier Jahrzehnte lang von Deutschland aus Ballettgeschichte geschrieben hat, die Tanzwelt mit seinem abrupten Abgang. Burnout war die Ursache. Für eine wirksame Therapie hat er die Maxime "Back to the Roots" gewählt. Zurück zu den Wurzeln bedeutete einerseits die persönliche Rückkehr in sein Heimatland USA, andererseits die künstlerische Rückkehr zum klassischen Ballett. Jahrzehntelang hat sich Forsythe damit beschäftigt, das klassische Ballett zu dekonstruieren und zu neuen Bewegungsmustern zusammenzusetzen - jetzt ist Ballett für ihn wieder salonfähig.
In seinem jüngsten Stück "A Quiet Evening of Dance" (produziert 2018 in London) dürfen seine fulminanten TänzerInnen in der letzten halben Stunde Ballett tanzen, bis das Publikum in Jubelschreie ausbricht. Dem hat Forsythe, der schlaue Bühnenfuchs, zuvor eine Stunde lang eine intensive Schule des Sehens verordnet: Fünf mit einander verbundene, hoch konzentrierte Duos, in denen es um Tanz pur geht. Hände und Arme machen anfangs den Tanz fast unter sich aus.
Simple Doppelungen oder Spiegelungen sind Forsythes Sache nicht. Die Tänzer beziehen sich auf einander, aber höchst eigenständig - und mit großem Spielraum für Improvisation. Nach der Pause gibt es ein Ballettfest. In "Seventeen/Twenty One" trifft Ballett das 21. Jahrhunderts auf einen Komponisten aus dessen Anfängen: Jean-Philippe Rameau. Seine glänzend aufgelegten barocken Klänge feuern die zehn kurzen Soli, Duos und Trios nach Kräften an. Wie ein Irrwisch fegt Breakdancer Rauf "RubberLegz" Yasit zwischendurch auf die Bühne und verknotet die "Gummibeine", die ihm seinen Künstlernamen eingetragen haben, entgegen allen Regeln von Schwerkraft und Anatomie.
Es ist eine kleine Sensation, dass dieses Stück auf seiner Tournee durch europäische Metropolen auch in Heidelberg gastiert. Möglich gemacht haben es Bernhard Fauser und Jai Gonzales, die seit 30 Jahren intensive künstlerische Beziehung zu Forsyth und seinen Tänzern pflegen. Nächste Woche (12./13.4.) kommt - mal wieder - ein weiterer Ex-Forsythe-Tänzer mit einem brandneuen Stück in der Hebelhalle: Tony Rizzi. Der Mann, der in Sachen Drogen, Religion und Sex keinerlei bürgerlichen Hemmungen kennt, dafür ganz viel von Tanz und von Bühnenwirksamkeit versteht, hat längst seinen Fanclub in Heidelberg. Gut so!