Barbara Schulz, Inhaberin von Hassbeckers Galerie & Buchhandlung. Foto: Friederike Hentschel
Von Arndt Krödel
Heidelberg. "Flach und meistens grau" – so empfand sie ihre Heimat, die Lüneburger Heide. Kein Wunder, dass sie dieser relativen Langweiligkeit Norddeutschlands schon als Kind eine starke Sehnsucht nach dem Süden entgegensetzte. Italien war ihr Ziel, das entschied sie, nachdem sie von Erwachsenen viel darüber gehört hatte. Am Ende hat es Barbara Schulz vom Heideort Himbergen bei Uelzen nur bis Heidelberg geschafft, immerhin der nördlichsten Stadt Italiens, wie einige ihrer Bewohner behaupten und dabei kess München überholen.
Dass sie vor 40 Jahren am Neckar strandete, hat sie nie bereut. Und für Heidelberg war es ein Glück: Sonst hätten die Literaturbegeisterten vor allem der Altstadt auf ein Kleinod verzichten müssen, das sich mit ihrer Person verbindet und bescheiden in der Haspelgasse präsentiert – Hassbeckers Galerie & Buchhandlung, die nun nach 2014 zum zweiten Mal mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet wurde.
Wir sitzen in einem Raum mit warmer Atmosphäre. Man gelangt zu ihm, nachdem man das Museum Haus Cajeth, ein Barockpalais mit gelber Fassade, betreten hat, gleich links durch eine Glastür. Auf weiß gestrichenen Holztischen stapeln sich Bücher, an den Wänden hängen farbenfrohe Gemälde, das Licht ist gedämpft. "Mein Lebensmittelpunkt", erzählt Barbara Schulz, die Inhaberin der Buchhandlung und langjährige Lebensgefährtin von Egon Hassbecker, dem 2013 verstorbenen Buchhändler und Gründer des Museums Haus Cajeth, das eine einzigartige Sammlung von Bildern der so genannten Primitiven Malerei beherbergt. Der Raum ist ein Stück von ihr, denn alle Bücher und Bilder hat sie persönlich ausgesucht. Literatur nicht (nur) als Geschäft, sondern als Anliegen, Überzeugung und Leidenschaft.
Mit Neuerscheinungen hat sie es nicht so, gibt die studierte Kunsthistorikerin und Buchhandels-Quereinsteigerin gerne zu, obwohl "Herkunft" von Saša Stanišic´, ebenfalls gerade preisgekrönt, auf einem der Büchertische steht. Kunden, die nach neuen Publikationen fragen, verweist sie problemlos an eine hier besser ausgerüstete Kollegin in der Weststadt.
Der gängige Markt mit seinen puren Konsummechanismen ist ihr fremd: "Ich lese nichts, was von den Bestsellerlisten empfohlen wird", lautet ihr sympathisch offenes Urteil, wobei sie den TV-"Druckfrisch"-Kritiker Denis Scheck durchaus schätzt. Aber der lässt bei seinen literarischen Top-Ten schließlich auch so manche viel gekaufte Neuerscheinung mangels Qualität gnadenlos auf der Rollrutsche im Müllcontainer verschwinden. Was sie eigentlich noch nie gesehen hat, denn Barbara Schulz lebt ohne Fernsehen.
Ihren literarischen Geschmack mag sie kaum äußern, empfindet ihn als eher "altmodisch". Aber mit Fontane, dessen Name sie nennt, kann man wirklich nichts falsch machen. An dem märkischen Dichter bewundert sie die "Gültigkeit außerhalb von Zeit und Raum". Unter den zeitgenössischen Autoren schätzt sie etwa Hanns-Josef Ortheil – "schon nach fünf Sätzen Lektüre bin ich gepackt" – oder Elsemarie Maletzke mit ihrer Begeisterung für alles, was britisch ist. Und es fallen, Tribut an Heidelberg, die Namen von Marion Tauschwitz und Ralph Dutli, die ihr die Werke von Hilde Domin bzw. von Ossip Mandelstam nahegebracht haben. Versteht sich, dass auch italienische Autoren zu ihren Favoriten gehören.
"Ich bin, wenn Sie so wollen, preisgekrönt, weil ich meiner Leidenschaft nachgehe", spielt Schulz ihre Leistung herunter, durch welche erst die jährlich vergebene Auszeichnungder Bundesregierung für unabhängige inhabergeführte Buchhandlungen in Deutschland möglich geworden ist. 118 Buchhandlungen aus 467 Bewerbungen zeichnete Kulturstaatsministerin Monika Grütters dieses Jahr in Rostock aus. Für "Hassbeckers" bedeutete das 7000 Euro Preisgeld. Während unseres Gesprächs betreten Kunden den Raum, wobei die Holzdielen angenehm unter ihren erkundenden Schritten knarren. Jeder von ihnen wird persönlich begrüßt und beim Herausgehen verabschiedet – so versteht die Buchhändlerin ihr Geschäft, eine Rarität in heutigen Zeiten von seelenlosen Handelsketten und Online-Bestellungen.
Literatur, das spürt man bei Barbara Schulz, ist ihr Leben. Sie sagt, dass das Eröffnen von Welten sie zum Lesen gebracht hat: "Es erweitert meinen Horizont und macht mich reich. Deshalb bin ich glücklich." Und was macht sie, wenn sie mal nicht liest? Dann frönt sie dem Radfahren. Möglicherweise mit einem Buch, für die Pausen.