Carl Happel hielt diese Studie zu einer Dame in Öl auf einem Zigarrenkistendeckel fest. Foto: KMH
Von Ingeborg Salomon
Heidelberg. Dass Abfallprodukte oder scheinbar nutzlose Gegenstände durch künstlerische Bearbeitung wieder zu neuer Schönheit kommen, ist nicht so neu, wie der Begriff dafür vermuten lässt: Upcycling. Tetrapacks zu Windlichter, ausgediente Strumpfhosen zu Haargummis – so geht das heute. Dass der Ausdruck erst in den 1990er Jahren entstanden ist, verblüfft. Doch es ist eben nur der Begriff. Denn bereits im 19. Jahrhundert wurden ausgediente Deckel von Zigarrenkisten einer neuen Bestimmung zugeführt, wie eine kleine, aber feine Ausstellung im Kurpfälzischen Museum Heidelberg (KMH) diesen Monat zeigt.
Susanne Voigt, Gemälderestauratorin am Haus, hat zwölf dieser ungewöhnlichen Bilder in einer Vitrine zusammengestellt und deren Geschichte recherchiert. Zugänglich ist dieses Kunstwerk des Monats leider nur auf der Webseite des KMH – aber ein Blick darauf lohnt sich auf jeden Fall.
Vor allem ein Künstler ist in dieser Schau mit gleich mehreren Bildern vertreten: Carl Happel, geboren am 2. August 1819 in Heidelberg, gestorben am 7. März 1914 in Stuttgart. Insgesamt 13 Gemälde auf Zigarrenkistendeckeln – Porträts, Landschaftsstudien sowie Entwürfe für historische Szenen – entstammen seiner Hand. Sieben von ihnen zeigen auf den Rückseiten noch deutliche Spuren ihrer einstigen Bestimmung. Diese reichen von Brandzeichen der Zigarrenmarken wie bei der "Studie zu einer Dame" über Reste von Papierbeklebungen des Deckels und der äußeren Kanten der Kiste.
Dass die Bilder an Carl Spitzweg erinnern, versteht sich, waren Happel und der Maler des berühmten "Armen Poeten" – ein Ölbild von den im Vergleich zu einem Zigarrenkistendeckel stattlichen Ausmaßen von 36 auf 45 cm – doch Zeitgenossen. Doch auch Spitzweg griff für die Darstellung seines "Gnom, eine Eisenbahn betrachtend" und den "Zeitungsleser im Hausgärtchen" zum Upcycling – und das hatte gute Gründe. Vor allem in der Genremalerei und für kleine Studien waren die Zigarrenkistendeckel nämlich sehr geeignet. Ohne ihren aromatischen Inhalt waren sie nutzlos, dafür aber leicht verfügbar und preiswert.
Zigarren zu rauchen galt im 19. Jahrhundert als Zeichen des Wohlstands, der Männlichkeit und des Genusses, es war also in Kreisen des aufstrebenden Bürgertums, aber auch bei Künstlern und Bohemiens sehr beliebt. Als der deutsche Kaufmann Hermann Dietrich Upmann, der von 1839 bis 1848 auf Kuba lebte und dort mit "H.Upmann" eine der ältesten Zigarrenmarken der Welt begründete, seine Gebinde in kleinen Holzkistchen nach Europa verschickte, war der Weg frei für die Weiterverwendung dieses "Verpackungsmülls".
Auf der glatten Deckeloberfläche trugen die Künstler eine helle, dünne Grundierung auf, danach wurde Ölfarbe mit wenigen überlagernden Pinselstrichen deckend aufgetragen, wie bei der Studie von Happel zu seiner"Dame" gut zu sehen ist. Dass die ätherischen Öle der Spanischen Zeder die Künstler zusätzlich inspiriert haben, ist möglich, aber spekulativ. Sicher ist hingegen, dass dieses Holz die Feuchtigkeit gut absorbiert und zudem leicht und formstabil ist – gute Voraussetzungen also für Zigarren und Gemälde.
Den aromatischen ursprünglichen Inhalt des Kästchens belegt der Stempel. Foto: KMH