Der "Tall Tower" von Reiner Seliger im Schlierbacher Orthopädie-Park. Foto: Behnke-Pfuhl
Von Susann Behnke-Pfuhl
Heidelberg. Die Begegnung mit Reiner Seliger liegt bereits Jahre zurück. Damals beeindruckte er mit seiner "Recycling Kunst" in einer Ausstellung der Heidelberger Galerie p13. Seine Objekte mit den hoch ästhetischen und perfekten Formen blieben nachhaltig in Erinnerung. Jetzt bespielt der Künstler in einer Sonderausstellung des Skulpturenparks den Garten der Orthopädie Schlierbach mit zehn großen Freiland-Plastiken und begeistert von Neuem.
Der 1943 in Löwenberg (Schlesien) geborene Künstler studierte Industrial Design an der Folkwang Universität der Künste in Essen, kam aber schon früh durch seinen Professor zur Kunst. In der Metropolregion bekannt ist der bedeutende deutsche Bildhauer durch seine Präsenz in der Galerie Hollinger in Ladenburg und seine langjährige Teilnahme an der art Karlsruhe. Mitte der 1990er Jahre stellte er im Mannheimer Kunstverein aus; einen Teil der Ziegelskulpturen kann man heute im Luisenpark bewundern, wie Dr. Martin Stather vom Mannheimer Kunstverein auf der Pressekonferenz darlegte.
Das eigens für die Ausstellung "in situ" geschaffene Werk "Tall Tower", an dem drei Tage gearbeitet wurde, besticht mit allen Qualitäten, die Seligers Werk auszeichnen. Aus Vergangenem, aus Bruchstücken von Materialien jeglicher Herkunft, entstehen neue Formen, neue Gegenstände, neue Bedeutungen. Der beige-matte Turm im Eingangsbereich, der drei Meter und neunzig Zentimeter in die Höhe ragt, erinnert an einen Monolith, vielleicht auch an ein kostbares Ausgrabungsstück oder an die vietnamesische Cham-Architektur. 30 Eimer Abfallmaterial - in diesem Fall Bruchstücke kleiner Betonwürfel aus der Versuchsabteilung des Heidelberger Zementwerks, bilden eine Vertikale, die sich nach oben hin verjüngt. Statisch genau ausbalanciert, ist der Hohlkörper innen durch Mörtel gefestigt.
Um die Gedanken hinter diesen eigenwilligen Werken zu verstehen, ist es wichtig, auf die Orte zu schauen, an denen Seliger sich seine Inspirationen holt: Schuttplätze, an denen sein Material in Überfülle vorhanden ist. Dort baut er auf fast "meditative Art" Türme. Als Vertriebener kam er mit seiner Familie nach dem Zweiten Weltkrieg ins ausgebombte Düsseldorf, wo er als Kind zwischen den Trümmern spielte. Das Bauen sei eine "hochgradig skulpturale Angelegenheit", wie er auf der Konferenz sagte. Er greife damit in perfekte Zusammenhänge ein, erlaube sich eine neue Symbolik.
Seine dunkel glitzernden Glasobjekte, etwa den ausgestellten "Black Diamond", schleppt er eigenhändig herum, bekommt davon blutige Finger. "Ein Gefühl für die Bruchstücke behalten", nennt er das. Das Zusammenfügen von zerbrochenen Terrakotta-Ziegeln zu einem bauchigen Hohlkörper erfolgt bei ihm nach dem Prinzip von Gewölben: In der oberen Hälfte des kugelförmigen Körpers zeigen die Ziegelstücke in Längsrichtung zum Mittelpunkt hin.
Seine Skulpturen im öffentlichen Raum haben einen sehr stabilen Hohlkörper, während die Gebilde, die er beispielsweise in Ziegeleien fertigt, frei und ohne Mörtel in schwindelerregende Höhen gebaut werden. Ihr eigenes Publikum anziehend, bleiben sie oftmals lange in der für Kunstwerke bizarren Umgebung stehen.
Dr. Manfred Fuchs, Vorsitzender des Skulpturenparks, freute sich über die große Mitgliederzahl des Vereins und wies zu Recht auf den Beitrag seiner Institution für Kunst und Kultur in Heidelberg hin.
Info: Skulpturenpark der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg-Schlierbach. Bis 17. Oktober 2019 (Finissage). Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog.